Bild aus Google, Rainer Maria Rilke |
Abklingend wird zum Schluss das soziale Element in dem „“Wem“ angerührt. Mit dem unbestimmten „“weiss nicht“ ist, ganz leicht erst, die Frage des sich Mitteilens ans Du, gesehen als Zweckbestimmung des dichterischen Schaffens, angetupft. Es scheint wie träumerische Zuversicht einer künftigen Bestätigung, getragen von der Sehnsucht nach der menschlichen Gemeinschaft, die auch in der gegenwärtigen fruchtbaren Einsamkeit und mystischen Beziehung zu Welt und Dasein nicht ganz besiegt ist.
Diese so sacht angetönte Frage wird sehr bald schmerzlich akut werden und Rilke ein wiederholtes Nein abringen:
bereits hat er sich den Worpswedes Freunden entzogen, bald wird er sich seiner jungen Ehe entreissen; nur unter dem Schmerz des Enttäuschtwerdens wird er sich etappenweise von der absoluten Bindung an seinen “Meister“ Rodin, entwöhnen. Und indem er endlich die alleinschöpferische Einsamkeit wählt wird er sich für den Rest seiner Tage wieder und wieder fluchtartig den ihn umgarnenden Banden der Freundschaft entwinden.
Zuletzt wird im Doppelklang von “löst“ und “los“ das rilkesche Thema des (sich) “loslassen“ berührt, das sich in den Neuen Gedichten dem sich vordrängenden Todesmotiv verbindet (z.B. in “Der Schwan“)
Das zweite “Nichts“ scheint sich vor allen mit dem „“Ding“ zu befassen, wenn es sich auch, inkonsequenterweise, eher auf ein schon Bestehendes zu beziehen scheint; denn das unter dem “reifen Blick“ kommende, das soeben, als Braut gesehen, mit Würde und Hingabe ausgezeichnet wurde, kann ja schwerlich gemeint sein mit dem kleinen, das man “trotzdem“ liebt.
Jede dieser Aussagen besteht für sich selbst, ohne seinen bindenden Bezug zu der nächsten. Bild um Bild wird mit einem kraftvollen Schwung hervorgebracht, genial und selbstherrlich, dem Augenblick entsprungen und nur ihm verantwortlich. Eine Stimmung, ein Lebensgefühl teilt sich mit; es werden keine Dauerwerte gesucht oder Begriffe erhärtet.
Diese visionäre Weltschau, die sich so gläubig-selig auf den Flügeln des Wohllautes hinbewegt, hat noch nicht gelernt, “in sich zurückzukehren“. Erst als sie, unbeschützt, von der brutalen Realität der Großstadt angefallen und angefressen wird, werden ihre Schwächen offenbar. Im Stundenbuch aber gilt es vorerst, die Flügel der Seele in einem sich weitenden Weiltraum zu versuchen, ihn auszumessen; erst in dem späteren notwendigen, d.h. aus der Not wachsenden Schaffen wird er in “Weltinnerraum“ verwandelt werden.
der Tau, die Morgenmette und die Maid,
der fremde Mann, die Mutter und der Tod.“
(Das Stundenbuch von der Pilgerschaft in Sämtliche Werke, Inselverlag, 1955, Bd. I. p. 326/27)
(1) Da neigt sich die Stunde und führt mich an
mit klarem, metallenem Schlag:
mir zittern die Sinne. Ich fühle: ich kann –
und ich fasse den plastischen Tag.
Nichts war noch vollendet, eh ich es erschaut,
ein jedes Werden stand still
Meine Blicke sind reif, und wie eine Braut
Kommt jedem das Ding, das er will
Und mal es auf Goldgrund und gross
Und halte es hoch, und weiss nicht wem
Löst es die Seele los…
die sich über die Dinge ziehn
Ich werde den letzten vielleicht nicht vollbringen,
aber versuchen will ich ihn.
und ich kreise jahrtausendelang;
und ich weiss noch nicht: bin ich ein Falke, ein Sturm
oder ein grosser Gesang.
und wir türmen Atom auf Atom.
Aber wer kann dich vollenden,
du Dom.
Es zerfällt.
Was ist die Welt?
Sie wird zerschlagen,
eh deine Türme Kuppeln tragen,
eh aus Meilen von Mosaik
deine strahlende Stirne stieg.
Aber manchmal im Traum
kann ich deinen Raum
überschaun
tief vom Beginne
bis zu des Daches goldenem Grate.
Und ich seh: meine Sinne
bilden und baun
Die letzten Zierate.
als Samnaun, wachsend aus Wüstensand -
oder
es kann auch sein: ich fand
dich einmal..
Meine Freunde sind weit,
ich höre kaum noch ihr Lachen schallen;
………………………
Nr. 3
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