Donnerstag, 24. Mai 2012

Friedrich Schiller - Die Jungfrau von Orleans "eine ROMANTISCHE TRAGÖDIE"

Friedrich Schiller  " Die Jungfrau von Orleans "

Ob und in welchem Masse die so von Schiller bezeichnete Tragödie wirklich „romantisch“ ist, steht hier zur Diskussion.

Die Frage, ob sich das Attribut vornehmlich auf den Stoff oder auf die Form bezieht, kann wohl ohne weiteres zugunsten des Stoffes beantwortet werden, obwohl auch der Form romantische Wesenszüge nicht abzusprechen sind.
Dr.  Schröder, der in seine, Bändchen „Aufgaben aus  ‚Die Jungfrau von Orleans‘ „ den ersten Abschnitt „Grundcharakter der Dichtung „ dem romantischen Charakter der Tragödie widmet, definiert er den Begriff „romantisch „ wie folgt:
 „Romantisch nennen wir heute das Ahnungsvolle, Schauerliche und Wunderbare, das die Phantasie Aufregende. Da das Mittelalter in Kunst (besonders in seinen Dichtungen), Religion und Sitte viel Romantisches hatte, so nennt man heute wohl auch das Mittelalterliche schlechthin romantisch, und die sogenannten romantischen Dichter führen diesen Namen von ihrer Vorliebe für das Mittelalterliche in Leben, Kunst und Religion. Für unser Thema kommt die zuerst angegebene Auffassung des Begriffes „romantisch“ in Betracht.    „Hingegen scheint mir, will man dem romantischen Charakter dieser schiller's Tragödie einigermassen gerecht werden, dass gerade der zweite Punkt, das mittelalterliche Element, diesen Charakter wesentlich mitbestimmt. In dem Zitat Böttigers (in Erläuterungen zu den Szenen der Jungfrau von Orleans in dem Taschenbuch „Minerva“ 1812), das etwas später angeführt  Wird, streicht Schröder selbst, seiner frühern Behauptung entgegen, diesen Punkt gebührend heraus;  „ War doch die historische Johanna selbst ein reines Produkt des Zeitalters, das seines ungeschwächten kindlichen Wunderglaubens wegen Mutter und Säugamme der romantischen Poesie werden konnte“.
Um der Tragödie als schöpferischem Ganzen gerecht zu werden, dürfen wir aber nicht bei dem romantischen Grundcharakter in seinen verschiedenen Aspekten des Romantisch-Wunderbaren stehen bleiben, sondern wir müssen den romantischen Elementen andere, nicht-romantische Züge zur Seite oder entgegenstellen; d.h. wir müssten zu zeigen versuchen, wie sich in dieser Tragödie das Romantische zum „Schillerschen“ verhält und sich ihm verbindet.
Die Versuchung liegt allerdings nahe, anhand der in Fülle vorhandenen romantischen Details und unter Nichtbeachtung der andersartigen Elemente, zur klaren Folgerung zu schreiten, dass Schiller hier ein echt romantisches Werk geschaffen habe.  In der Wahl und Ausarbeitung des Stoffes und der daraus resultierenden Gesamtstimmung ist die „Jungfrau  von Orleans „ romantisch zu nennen; in der inneren Struktur und Motivierung aber atmet das Werk den Geist seines Schöpfers.  
Wohl hat Schiller richtig gefühlt, dass der historische Stoff der Johanna von Arc in seinem Wesen romantisch ist und deshalb in einer romantischen Darstellung am besten fassbar und erlebbar gemacht werden kann. Dank der zugrundeliegenden Einsicht, dass eines Stoffes nur durch eine seinem Wesen entsprechende Geisteshaltung richtig erfasst und nur in einer ihm gemässen Form überzeugend dargestellt werden kann, hat Schiller Voltaires spöttelnde Behandlung des Themas in dem Gedicht „La Pucelle „ ein für allemal überwunden.  Ja es ist hauptsächlich das Verdienst des protestantischen deutschen Dramatikers, dass Frankreich in der Folge Jeanne d`Arc zur Nationalheldin, die katholische Kirche sie im Jahre 1920 in die Reihe der Heiligen erhoben hat. Voltaires geistiges Universalwerkzeug, der aufgeklärte Witz erwies sich dem romantischen Charakter der historischen Begebenheit gegenüber als völlig stumpf und unbrauchbar. Die satirische Gestaltung musste deshalb grundsätzlich am Stoff als wesensfremd abprallen, musste im Wettstreit mit Schillers wesensgemässer Behandlung kläglich verstummen (wobei freilich andere, nicht in der romantischen resp. rationalistischen Behandlung liegende Gründe, Gattung und Umfang des Werkes, seine poetische Qualität und dramatische Meisterschaft, die Wagschale ohnehin entscheidend zu Schillers Gunsten senken würden).
 Obwohl es die romantische Färbung ist, die „Jungfrau von Orleans „ in der Reihe der schiller's Dramen kennzeichnet, wäre es gefehlt, darin etwas wie ein Produkt der romantischen Schub zu suchen. (Abgesehen davon, dass den Romantikern jeder Sinn fürs Tragische abging und kann man überhaupt nicht von einem romantischen Theater sprechen, denn auch der Sinn fürs Dramatische schlechthin ging ihnen ab.    Was schon an Bühnenstücken geschrieben wurde, eignet sich schlecht zur Aufführung; die Bühnendichtung wird denn auch als der schwächste Punkt der romantischen Schule angesehen.)    Zwar weist die Wahl des romantischen Stoffes und Schillers entsprechende Bearbeitung auf seinen Kontakt mit Vertretern der gleichnamigen literarischen Bewegung hin.
August Wilhelm Schlegel war ein regelmässiger Mitarbeiter an Schillers „Horen „ , bis dieser ihn 17% hinauswarf über einem Streit mit Friedrich Wilhelm Schlegel, welcher durch eine respektlose Rezension von Schillers „Musenalmanach „ in der Zeitschrift „Deutschland „ dessen Zorn auf sich geladen hatte.
Dieser literaturpolitische Bruch mit der romantischen Schule allein sollte genügen, um jeden Verdacht eines romantischen Epigonen- oder Convertitentums von Seiten Schillers zu fernzuhalten.
Dass er trotz diesem Bruch ein romantisches Werk schreibt, beweist anderseits, dass er nicht in subjektiver Beurteilung das Kind mit dem Bade ausschüttelt, sondern in geistiger Freiheit im gegebenen Fall der romantischen Gedankenwelt sich einzufühlen nicht verachtet. Ferner deutet der von Schiller für diesen bestimmten Stoff sich bewusst der romantischen Weltanschauung als dem angemessensten Werkzug bedient. Seine romantische Tragödie ist demnach als ein geistiges Experiment zu betrachten; nicht passive Beeinflussung durch die Romantik, sondern bewusste Anwendung ihres Ideengutes, nicht Abhängigkeit des Geistes, sondern vorsätzliche Richtunggebung durch die Wahl der geeignetsten Gestaltungsmittel liegen ihm zugrunde.   
Die geistige Emanzipation von der subjektiven Darstellungsart der Frühwerke, die sich in diesem Abstecher in die romantische Sphäre bekundet, hat schon mit Wallenstein eingesetzt. Dort vor allem verzichtet Schiller auf die Darstellung persönlicher Überzeugungen und Werte, indem er lauter „gemischte „ Charaktere zeichnet.
Auch Max und Thekla, die gewissermassen nach seinem idealischen Muster zugeschnitten sind, ändern daran grundsätzlich nichts, weil sie den lauf der Dinge als Verkörperung des ethischen Prinzips nicht bestimmen, noch werde sie als moralischer Standard gegen die Unvollkommenheit der andern Figuren gestellt.
Schiller predigt nicht mehr, auch durch die idealen Gestalten; er stellt sie sachlich, als eine Möglichkeit unter vielen andern, in die Reihe der menschlichen Erscheinungen; er enthält sich des persönlichen Werturteils. Mit der gewonnenen geistigen Freiheit, die sich der hohen Lessingschen Toleranzidee im „Nathan „ nährt, bewegt sich Schiller darauf in „Maria Stuart „ in einer strikte katholischen Gedankenwelt. Dasselbe unermüdliche Streben nach neuen geistigen Formen und Ausdrucksmitteln reizte ihn endlich, in der „Braut von Messina „ der Fährte der griechischen Schicksalstragödie nachzuspüren, sich den Gebrauch des Chores aneignend.
Ob sich Schiller aber mit einem griechischen Trauerspiel oder mit einer romantischen Tragödie befasst, wird er doch nicht zum Nachahmer;  indem er seine eignen dramatischen Gesetze auch durch die gewählte Ausdrucksform zum Recht kommen lässt, verzichtet er zum vornherein auf den Anspruch, eine stilreine Reproduktion der betreffenden Kunstgattung hervorzubringen. Vor allem ist es immer wieder das selbstgeformte Prinzip der tragischen Schuld, das mit den von aussen gegebenen Faktoren in Konflikt gerät. Schiller kann sich nicht mit der Fatalität der griechischen Tragödie versöhnen, wo das blinde, von aussen hereinwirkende Schicksal dem tragischen Helden nicht die Möglichkeit lässt, seine Tragik im eigenen Busen zu finden. Nur dann kann nach ihm Schiller der Mensch tragische Grösse erreichen, wenn er sich in geistiger Freiheit zu seinem Schicksal erhebt. Dieses für ihn so wesentliche tragische Prinzip der Freiheit weiss der sogar in die ausgesprochenen Schicksals Tragödie einzuflechten. Ja er kleidet den eigentlichen Konflikt mit dem Stoff in die gehobene Schlussphrase, seiner persönlichen Auffassung das letzte gültige Wort gebend:
„ Das Leben ist der Güter höchstes nicht;
Der  Übel grösstes  aber ist die  Schuld. „ 
Das Prinzip der tragischen Schuld, ein alles andere als romantisches Konzept, muss denn auch in der  „Jungfrau von Orleans „ eingeführt werden.
Ihre Schuld besteht in dem plötzlich aufkeimenden Gefühl für Lionel, denn als Sendbotin Gottes darf Johanna keine irdische Liebe empfinden. Auch ihr Ende, das sie in Wirklichkeit auf dem Holzstoss zu Rouen, 1/31, erlitten, ändert Schiller mit kühnem Griff. 
Nach seinem tragischen Empfinden kann sie nicht einfach einem stumpfen, ohne innere Notwendigkeit auf sie gewälzten Schicksal preisgegeben werden. Sie erhält Würde dadurch, dass sie ihren Untergang weiss und will, als Sühne für die nur ihr selbst bekannte Sünde der Gefühle, während sie nach aussen glorreich im Kampf für ihren König fallen darf.  Die Tatsache, dass Schiller sich mit dem Gedanken trug, die „Jungfrau „ in drei verschiedenen beibehalten sollte, zeigt, wie sehr ihn der Stoff beschäftigt hat, auch, dass ihn der gewählte Ausgang scheinbar nicht restlos befriedigen konnte, oder dass er zum mindesten auch andere Varianten für möglich hielt. Diese Beunruhigung, dieses Ringen um die beste Form des Unterganges im Sinne einer ideologischen Linienführung der dramatischen Handlung ist ganz und gar unromantisch.
Das tragische Ende selbst ist es. Johannas Sich-Verstricken in eine nur sie persönlichste betreffende Schuld, für die sie durch ihren Untergang Sühne leisten will, all das ist recht eigentlich schillersch und hat seine Parallelen oder Varianten in den andern dramatischen Werken Schillers. Dass dies notwendige Schuld bei Johanna in einer Regung des Gefühls besteht, scheint auch bei einigen namhaften Kritikern zu Kopfschütteln Anlass zu geben.
In Costwick and Harrison (Outlines of German Literature) z. B.
Wird dieser Teil als “ sentimentale Episode” abgetan:
„ .. it must be regretted that after he had clearly distinguished the true heroine from the mean caricature in „La Pucalle „, he partly contradicted his own noble design by the arbitrary invention of an attachment existing between the heroic maiden and the Englishman Lion 1, the enemy of France! Why should such a weakness have been thought possible?” 
Dass der Schreiber des Artikels diese menschliche Schwäche Johannas als unpassend empfindet, während er ihre übermenschlichen Eigenschaften als bare Münze hinzunehmen keine Schwierigkeit hat, mag beweisen, dass Schiller die Darstellung der Jungfrau als romantische Motiv folglich als Unwahrscheinlichkeit vom Gesamtbild abhebt. Es zeigt allerdings auch die Missachtung oder Unkenntnis der schillerschen dramatischen Ideologie von Seiten des Schreibenden. Hatte Tieck freilich diesen Stoff behandelt, so hätte er, wie aus seiner Genoveva, aus dem Johann eine rührende, undramatische Legendenheilige gemacht. Anderseits liesse sich auch dieses für Schiller notwendige Schuldmotiv im Sinne einer romantischen Darstellung rechtfertigen, auf Grund von Aug.
Wilhelm Schlegels zwölftem Vortrag über die Dramatische Kunst, 1809.
Dort schreibt er, auf den Ursprung und das Wesen des Romantischeren bezugnehmend (in englischer Übersetzung von John Black).
„The ancient art and poetry rigorously separate things which are dissimilar; the romantic delights in insoluble mixtures; all contrarieties – nature and art, poetry and prose, seriousness and mirth, recollection and anticipation, spirituality and sensuality, terrestrial and celestial, life and death, are by it blended in the most intimate combination.”
Psychologisch betrachtet, bereichert Johannas Abfall von ihrer Sendung sowohl die Darstellung ihrer Person als auch die Handlung des Stückes. Der geistlichen Kraft der Jungfrau zum Trotz meldet sich überraschend, doch unwiderruflich die weibliche Neigung, mit dem Resultat einer Maximalen polaren Spannung der Seelenkräfte. Ein nur als Heilige und Märtyrerin geschehe Jeann d‘ Arc ist Stoff für eine Legende, nicht für eine Tragödie. Dass Johanna nicht nur die Natur verleugnende Heilige, sondern auch das menschlich fühlende Weib ist, bringt sie unserem Mitempfinden um soviel näher; dass sie, das Opfer jener verhängnisvollen Begegnung auf dem Schlachtfeld, von ihrer Ehe stürzt, lässt uns die Wiedererlangung ihrer Sendung und ihr glorreiches Ende umso eindrückliche erleben.
Nachdem ich Schillers Untertitel eine „romantischen Tragödie“ grundsätzlich zu werten versucht habe, kann ich nun daran gehen, die in der Tat recht dicht gewobenen romantischen Fäden Stücke aufzuzeigen. Das Romantische ist schon in der geschichtlichen Unterlage gegeben, und zwar sowohl im äussern Rahmen, dem monarchischen katholischen Frankreich den 15. Jahrhunderts, als auch in der Gestalt der Heldin. In ihr auferstehen und triumphieren die rings bereits im Wanken begriffenen Grundsätze „Königstreue „ und „Gottesbewusstsein „, und zwar in absoluter Weise. Der Jungfrau eigener Vater, Thibaut, zweifelt von Anfang an der göttlichen Inspiration und Sendung seiner seltsamen Tochter. Aus seinen „Träumen und ängstlichen Gesichten „ sieht er „einen tiefen Fall „ woraus, glaubt sie von einem „Höllengeist „ gefasst (Prolog2).
 Indem Johanna, im Namen Gottes, für den König kämpft, verkörpert sie zwei Ideale, die Herrschaft Gottes durch die katholische Kirche und die Herrschaft des Königs. Beide sind Ausdruck jenes Glaubens an eine festgefügte hierarchische Weltordnung, welcher für das Mittelalter bezeichnend ist. Als Ausdruck mittelalterlichen Lebensgefühls kann damit auch die Idee des Königtums in das romantische Ideenreich einbezogen werden. Für Johanna jedenfalls bilden Gott und König und Land eine unzertrennliche Einheit. Anders wäre ihre unmenschliche, von allem natürlichen Fühlen entblösste Kriegswut gegen die Engländer, die Feinde des Landes, unerklärlich.
(Der König selbst ordnet für den gefallenen Talbot ein ehrenvolles Begräbnis an und gewährt dessen treuem Gefolgsmann freies Geliot der Leiche.)
Johanna führt Gottes Sache, indem sie diejenige des Königs führt; denn der rechtmässige König stellt die von Gott eingesetzte Obrigkeit dar. Gott steht denn auch politisch auf der Seite Frankreichs als auf der Seite des Rechts.
Bertrands Stosseufzer, mit dem er seinen Bericht über die unglückliche Lage des Landes einleitet, enthält in knappster Formulierung Art und Ziel von Johannas Sendung; „ Gott helfe dem König und erbarme sich des Landes. „ (Prolog/3). Johanna selbst unterstreicht in ihren ersten Reden diese zwei Aspekte ihrer Mission, z.b.
„Wir sollen keine eigenen Könige
Mehr haben, keinen Eingebornen Herrn-
Der König, der nie stirbt, soll aus der Welt Verschwinden…“
Worauf sie in beredten Bildern den König als segensvolle, von Gott eingesetzte Instanz preist und verteidigt, (Prolog/3). In dem Monolog,  die Einführung beschliesst, beruft sie sich auf den „Geist „:
„So ist des Geistes Ruf an mich ergangen.
Mich treibt nicht eitles irdisches Verlangen. „
Um für den Leser aber allen Zweifel des abergläubischen Thibaut zu widerlegen, identifiziert Schiller diesen Geist anschliessend mit dem „Gott der Väter „ des Altem Testamentes. So vergleicht Johanna ihre Erwählung mit derjenigen der grössten alttestamentlichen Führer und Hirten, Moses und David. Das Beispiel Davids, des kindlichen Hirten, der von seiner Herde Weg zur Errettung seines Volkes berufen wurde, ist offensichtlich als eine direkte Vorspiegelung ihrer eigenen Sendung gebraucht. Die romantischen Motive „Natur“ und „Kind“ sind darin enthalten (die seiner selbst kaum bewusste, empfängliche Seele des halbwüchsigen Mädchens wurde von richtunggebenden, Romantikern als Träger oder Symbol des übernatürlichen empfunden, vgl. Novalis, Sophie, u.a.) Bei der Berufung Moses, aber wird das Übersinnliche in der Stimme aus dem brennenden Busch sinnenfällig gemacht; sie ist parallel gesetzt mit dem eigenen Erlebnis Johannas: „ Er sprach zu mir aus dieses Busches Zweigen. „
Damit ist das Wunder eingeführt, der sichtbare Ausdruck der romantischen Handlung, als Element der romantischen Stimmung. 
Es wird gleich zu Anfang in seiner Wichtigkeit durch Bertrands Ausruf herausgestrichen:
„Ach, es geschehen keine Wunder mehr! „
Und gleich darauf in seiner Realität bestätigt durch Johannas Verkündigung:
„Es geschehn noch Wunder. – Eine weisse Taube wird fliegen und mit Adlerskühnheit diese Geier anfallen, die das Vaterland zerreissen.
ect. „ (Prolog/3)
neben diesen stofflich überwiegenden romantischen Zügen tritt aber auch das unromantische Schuldmotiv des moralischen Tragikers bereits keimhaft im Prolog auf, in Form der in den Sendungsbefehl eingeflochtenen Klausel
„Nicht Männerliebe darf dein Herz berühren
Mit sündgen Flammen eitler Erdenlust. „  (Prolog/4)
Hier ist mit Vorbedacht die Wurzel zu Johannas Schuldigwerden eingesenkt, der verhängnisvollen Begegnung auf dem Schlachtfeld, die Von „Costwich und Harrison „ als „sentimental Episode „ bedauert wird und auch von Calvin Thomas,  mehr Einsicht an den Tag legt, als „mere Episode „ und „unthinkable love affair „ kritisiert wird, obwohl er die damit verbundene tragische Schuld als „necessery ingredient „ einer schillerschen Tragödie zu werten versteht.
 Das sich durch das ganze Stück ziehende Einwirken übernatürlicher Kräfte, das den romantischen Grundton ausmacht, kann in zwei Kategorien gefasst werden, welche sich allerdings stellenweise berühren und überdecken. Die erste begreift das „Wunderbare“, Schiller beschränkt sich dabei weder auf die zentrale Gestalt der Jungfrau noch auf die katholisch-christliche Grundhaltung.
Heidnisches und Aberglaube sind dem Christlichen nicht nur, wie es  die Handlung erfordert, feindlich gegenübergestellt, sondern sie sind in der Atmosphäre einer allgemeinen Wundergläubigkeit als verwandte Elemente mit ihm verflochten.
Ebenso wichtig wie die Media übersinnlicher Kräfte  (neben Johanna haben wir den seherischen Thibaut, die weissagende Nonne und das Bemerweib mit Johannas Helm) sind die romantischen, wunderseligen Empfänger, auf die Wirkung ausgeht: der Königshof, die französisch und die englische Armee, das Volk (Dom Remi Bewohner, die Köhlerfamilie).
Vgl. den Wackenrhoderschen Satz, dass Aberglaube besser sei als Systemglaube (Haym, p.130)
Die zweite Kategorie umfasst die „Wunder“ als solche, die sinnfälligen Wirkungen des Wunderbaren, die den Rahmen des Natürlichen gänzlich überschreiten, die von aussen her eingreifend als Vorsehung den Lauf der Dinge bestimmen.
  
„Das Wunderbare“ 

Im Prolog bereitet Johannas Vater; der seherisch-aber gläubische Thibaut seine fromm-gläubige Tochter als Gegensatz vor, während er stimmungsmässig den romantischen Grundton einführt. (Prolog/2). Seine abergläubischen Bedenken gipfeln in der Beschreibung des Druidenbaumes 1), der Johannas Lieblingsaufenthalt und Ort der göttlichen Offenbarung war. Mit seinem heidnisch begründeten Aberglauben verbindet Thibaut eine echte Sehergabe:
„…zeigt sich’s mir
In Träumen an und ängstlichen Gesichten.
Zu dreien Malen hab‘ ich sie gesehn
Zu Reims auf unsrer Könige Stühle sitzen,
…“
Während Thibauts Träume an die prophetischen Gesichts des jungen Joseph gemahnen, den Palast des alttestamentlichen Pharao in den französischen Königshof verwandelnd,
(„Und ich, ihr Vater, ihr beiden Schwestern,
Der König selber neigten sich vor ihr“)
 
Die biblische Bildersprache entlehnend, finden wir in der Weissagung der Nonne eine sachliche Vorschau von Triumph der Jungfrau, auf die Person des Königs bezogen (von diesem irrtümlicherweise in Verbindung gebracht mit seiner Geliebten, Agnes Sorel):
„Ein Weib, verhiess die Nonne, würde mich
Zum Sieger machen über alle Feinde.“
1)    „Drudenbaum“; unter welchem die Druden (=Hexen) ihre Zus. künfte
halten, wozu sie vorzüglich Eichenbäume wählen. (Grims W’buch p.1454)
            Die Jungfrau selbst ist natürlich der Hauptstrahlungsherd des Wunderbaren, vom Prolog bis zum Ende.
            Der Helm, den ein Bohemerweib den Bertrand auf gedrungen hat, wird von ihr als das sichtbare Zeichen ihrer Sendung erkannt und mit Vehemenz ergriffen. (Prolog/3) „Mein ist der Helm; und mir gehört er zu!“
Als nächstes überrascht die kriegerische Haltung Johannas, ihre strategisch klar gezielten Fragen „nach Dingen, die ihr nicht geziemen“: „Wie heisst der Ritter?“ – „Wo hält der Ritter?/ sagt mir’s, wenn ihr’s wisset!“
 Sie ist mit Autorität und prophetischer Siegesgewissheit angetan, als sie endlich in Begeisterung ausbricht:
„Nichts von Verträgen! Nichts von Übergabe!
Der Retter naht, er rüstet sich zum Kampf.
Vor Orleans soll das Glück des Feindes scheitern.
…“  (Prolog/3)
In ihrem Monolog, der den Prolog abschliesst, dringt prophetisch die Todesahnung durch:
„Johanna geht, und nimmer kehrt sie wieder.“
(Prolog/4)
Im ersten Akt erfahren wir durch den Tatsachenbericht Raouls die wunderbare Wirkung von Johannas Erscheinen im Felde:
a)     Ihre Wirkung auf die sechzehn Fähnlein lothringisch Volk unter
Baudricour: „Ein Glanz vom Himmel schien die Hohe zu umleuchten.“
b)    Die Wirkung auf den Feind, als sie mit der Fahne Voranschreitet:
„Der, hochbetroffen, steht bewegungslos,
mit weitgeöffnet starrem Blick das Wunder
anstaunend, das sich seinen Augen zeigt-
Doch schnell, als hätten Gottes Schrecken ihn
ergriffen, wendet er sich um
zur Flucht…“  (I/9)
c)     Die Wirkung auf das Volk:
„Hört ihr den Auflauf? Das Geläut der Glocken?
Sie ist’s das Volk begrüsst die Gottgesandte.“
Viele Stimmen (hinter der Szene):
„Heil! Heil der Jungfrau, der Erretterin!
(Akt I/9)
Als Johanna zum König hereingeführt wird, beweist sie ihre Sehergabe, indem sie den Monarchen, den sie nie zuvor erblickt hat, erkennt und ihm den Inhalt seines neulichen Gebetes nennt. (Akt I/10)
Johanna weiss um den am selben Morgen erfolgten Tod des britischen Feldherrn Salsbury und bekräftigt dieses Wissen durch die Prophezeiung an den Herold: „Begegnen wird dir seiner Leiche zug.“
Sie entlässt ihn mit der Warnung, dass sie bald in Orleans das Siegeszeichen pflanzen werde. (Akt I/11) 
 Im zweiten Akt wird der allgemeinen Wundergläubigkeit die Reaktion der reinen Vernunft entgegen gesetzt.
Zunächst sehen wir Philipp den Guten, Herzog von Burgund, als ein Opfer des allgemeinen Aberglaubens:
„Das muss uns trösten. Wir sind nicht von Menschen
Besiegt; wir sind von Teufel überwunden.“
(Akt II/1)
Er wird vom rationalistischen Talbot angefahren:
„Vom Teufel unsrer Narrheit -…
Der Aberglaube ist ein schlechter Mantel
Für eure Feigheit…“
Die böse Königin-Mutter, Isabeau, zeigt sich in Akt II/2
ebenfalls als Rationalist der Wunderwirkung der Jungfrau gegenüber:
„Wie? Wirkt der Hölle Gaukelkunst, die und
Im Treffen so verderblich war, auch hier
Noch fort, uns sinnverwirrend zu behören?“
 
Selbst der Aberglaube kommt in diesem romantischen Stück besser weg als die realistische Vernunft: Der Ehrenmann Talbot erleidet einen grimmigen Tod ohne Ausblick: Isabeau wird am Ende abgeführt – während sich der abergläubische und charakterschwache Herzog von Burgund der Versöhnung und Rehabilitierung beim König erfreut. In den zwei antiromantischen Figuren Talbot und Isabeau, ganz unabhängig von ihrem ethischen resp. unethischen Charakter, geisselt Schiller die rationalistische Ablehnung alles Wunderbaren, weil Unerklärbaren. Indem er den romantischen Geist der spottenden Ratio gegenüber triumphieren lässt, exemplifiziert er in dieser seiner romantischen Tragödie die Romantik, als Reaktion gegen die Aufklärung gesehen.
Johanna erklärt ihre Unverletzbarkeit in der Schlacht durch die notwendige Erfüllung ihrer Laufbahn:
„Nicht heut, nicht hier ist mir bestimmt zu fallen,
Dir Krone muss ich sehn auf meines Königs Haupt.
Dies Leben wird kein Gegner mir entreissen,
Bis ich vollendet, was mir Gott geheissen.“
(Akt II/4)
Das Natürliche und das Übernatürliche verbinden sich zwanglos und wie selbstverständlich in Johannas Wesen zur Einheit. Für sie als romantische Heldin ist auch das Wunderbar natürlich:
„Von meinen Schafen lernt‘ ich das Gesunde
Vom Gift’ gen unterscheiden – Ich verstehe
Den Lauf der Sterne und der Wolken Zug.
Und die verborgnen Quellen hör ich rauschen.“
(Akt V/4)
In Akt V/12 wendet Johanna auf wunderbare Weise die Schlacht zum Endsieg der Franken:
(engl. SoldatJ Im Kampfe schreitet sie – Ihr Lauf Mitten ist schneller
Als mein Gesicht – Jetzt ist sie hier – jetzt dort –
Ich sehe sie zugleich an vielen Orten!
Sie teilt die Haufen – Alles weicht vor ihr,
…“
Der Tod der Jungfrau wird, echt romantisch, als Himmelfahrt gestaltet. Während der Leib entseelt auf die Fahne sinkt, wird durch Wort und Bühnenbeleuchtung der Effekt einer Himmelfahrt erzielt, d.h. die Aufnahme der reinen Seele der Jungfrau durch die Gnadenmutter wird vom Rein geistigen in den Bereich der sinnlichen Vorstellung resp. Wahrnehmung gerückt: die Szenenbeschribung verlangt: „Der Himmel ist von einem rosichten Schein beleuchtet.“
Die letzten Worte der Jungfrau lauten:
„Wie wird mir? – Leichte Wolken heben mich –
Der schwere Panzer wird zum Flügelkleide.
Hinauf – hinauf – die Erde flieht zurück –
Kurz ist der Schmerz, und ewig ist die Freude!“
Die „Wunder“
      Johannas Wunderschwert wird nach der Tötung Montgomery’s von ihr selbst beschrieben:
„Und nimmer irrend in der zitternden Hand regiert
Das Schwert sich selbst, als wär‘ es ein lebend’ger Geist.“
(Akt II/8)
(Das Schwert der höchsten Kriegsgewalt, der Jungfrau von Karl IIV selbst angeboten, wurde in Akt I/10 abgelehnt, denn wie der Helm, so ist auch das Schwert Johannas vorbestimmt:
„Nicht durch dies Werkzeug irdischer Gewalt
Ist meinem Herrn der Sieg verlieben. Ich weiss
Ein ander Schwert, durch das ich siegen werde.
Ich will es dir bezeichnen, wie’s der Geist
Mich lehrte; gehe hin und lass es holen.“)
      Die Erscheinung des Schwarzen Ritters, eine „doppelzüngig“ warnende Stimme, geht der Szene mit Lionel direkt voran. Als Johanna einen Streich auf ihn führen will, berührt er sie mit der Hand und sagt: „Töte, was sterblich ist“ Darauf versinkt er, bei „Nacht, Blitz und Donnerschlag“. Johanna begreift nun: 
„Es war nichts Lebendes. Ein trügliches Bild
Der Hölle war ‘s, ein widerspenstiger Geist,
Heraufgestiegen aus dem Feuerpfuhl, “
(Akt III/9)
Die Donnerschläge, die in Verbindung mit Johannas Schweigen auf die Anklage des eigenen Vaters hin von den Anwesenden als Gottesurteil verstanden werden, führen in Akt IV/13 ihre äussere Verbannung auf Grund ihres inneren Abfalls herbei. (Akt IV/11)
Als Antwort auf ein gläubig-brünstiges Gebet, kommt ihr von Gott die übermenschliche Kraft, ihre schweren Ketten zu zerreissen – im Augenblick der höchsten Not, da der französische König gefangen ist. Der Erzählung ihrer Berufung entsprechend (Prolog/4), die sie auf den Gott Moses, und Davids stützt, ruft sie auch jetzt den Gott der Väter an, ihn voll Vertrauen an die Wunderkraft Simsons erinnernd:
„Leicht ist es deiner Allmacht, eh’rne Bande
In dünnes Spinngewebe zu verwandeln –
Du willst, und diese Ketten fallen ab,
Und diese Turmwand spaltet sich – Du halfst
Dem Simson, da er blind war und gefesselt
Und seiner stolzen Feinde bittern Spott
Erduldete. - …“
Der Schwarze Ritter und die Donnerschläge sind mit Recht als hauptsächlich auf Bühnenwirkung angelegte Tricks in der Richtung der romantischen Oper bezeichnet werden. Während sie die Spannung der dramatischen Handlung äusserst wirkungsvoll steigern, neigen sie allzu sehr gegen das Legendäre, ja Märchenhafte hin. Während die andern Wunder und Wirkungen des Wunderbaren mit der Gestalt und Mission der Jungfrau unzertrennlich verflochten sind, und durch die überzeugende Kraft ihrer Persönlichkeit im romantischen Rahmen des Ganzen einen hohen Grad von Glaubhaftigkeit gewinnen, fehlt diesen beiden „Wundern“ die gedankliche Einheit mit der zentralen Figur. Auf die momentane sinnliche und psychologische Wirkung angelegt, bleiben beide Erscheinungen in der ideellen Linienführung ihre Rechtfertigung schuldig. Der Schwarze Ritter, der Johanna warnt, in keinen Kampf mehr zu gehen, der in ihr eine starke Unglücksahnung hervorruft, bringt zwar die gewünschte Spannung für die unmittelbar folgende Begegnung mit Lienel hervor. Die innere Gefahr, in der, die Jungfrau tatsächlich in jenem Augenblick steht, wird durch die Erscheinung des Ritters, durch Nacht, Blitz und Donnerschlag sinnlich dargestellt und übertragen. Einerseits durch diese Gefahrenstimmung vorbereitet, wirkt die Lionel-Szene anderseits durch das Moment des überraschenden Gegensatzes zur Ritterszene:
Die Gottesstreiterin, der selbst die Höllenerscheinung weder die Fassung noch den Mut zu rauben vermag, entwaffnet ein einziger voller Blick in das Gesicht des ihr zum Verhängnis bestimmten Mannes. Was weder Schlechtgewühl noch Höllenspuk vermochten, tut die leise, allmächtige Stimme des Herzens; Johanna erleidet den Abfall von ihrer reinen Mission. Obwohl Bühnentechnisch und dramatisch wirksam, ist der Schwarze Ritter für die Handlung gänzlich unnötig und bleibt in seiner eigentlichen Bedeutung, wenn man auf einer solchen bestehen will, mysteriös und verwirrend. Ob man in ihm nun den rachedurstigen Geist Talbots oder Johannas eigene überbordende Phantasie erblickt, auf welche Weise immer man sein Auftreten zu erklären sucht – wobei sich ein Deutungsversuch zwecks einer angestrebten, offenbar im Stück selbst zu begründenden, Rechtfertigung zum Vergleich mit Shakespeares Geist in „Hamlet“ versteigt – die Rechnung wird nie ganz aufgehen, d.h. jede Ausdeutung bleibt stellenweise mit Unklarheit oder Widerspruch behaftet.
Was die Donnerschläge betrifft, so sind sie zwar nebst der erzielten romantischen Bühnenwirkung auch mit der Handlung eng verflochten, indem sie den Ausschlag zu Johannas Schuldigsprechung und Verbannung geben.
Trotzdem kann nicht von einer Notwendigkeit gesprochen werden;  Schiller hätte mit Johannas Schweigen und unverkennbaren Zeichen von Schuldbewusstsein auskommen können.
Die Donnerschläge als Gottesurteil sind insofern unbefriedigend als letzten Endes nicht abgeklärt werden kann, ob sie für oder gegen die Jungfrau zeugen.  Nach Johannas Endsieg und verklärtem Tode zu schliessen sowohl als auch ihrem persönlichen Ausspruch zu entnehmen ist die Absicht Schillers, den Himmel zugunsten von Johannas Unschuld in Aktion zu setzen. Auf Raimonds Herausforderung „Der Himmel selbst bezeugte Eure Schuld!“ antwortet sie: „Der Himmel sprach, drum schwieg ich.“ (Akt V/4). Die Zweifelsfrage bleibt bestehen, ob sich Gott zu einem sichtbaren Zeichen herbeiliesse, um es von den Empfängern der Botschaft missgedeutet zu haben, um die zu rettende Jungfrau nun erst unrettbar als Hexe verdammen zulassen.
  Zusammenfassend kann wohl gesagt werden, dass das Romantische dieser Tragödie im Bereich des Wunderbaren voll und erfolgreich zur Wirkung kommt, während die eigentlichen Wunder, besonders die beiden diskutierten opernhaften Zwischenfalle, ohne Wesentliches beizutragen, das bereits überreiche Ideengut des Stückes zu verwirren drohen. Die glückliche Verschmelzung des Romantischen Schuld, die der Gestalt der Jungfrau eine komplexe Fülle verleiht, der romantischen Weite des Gefühls einen mystisch-sittlichen Grund unterlegend, schafft eine gewisse ernst zunehmende geistige Sphäre, eine Art erfüllte Wirklichkeit, welche die Hölle und der Himmel nicht ohne Notwendigkeit und beste gedankliche Fundierung mit ihrem Spuk und Donner würzen sollten, wenn sie, wie anzunehmen ist, als höchste und absolute Instanz respektiert sein wollen. Der grandiose Bühneneffekt verführte offenbar den überaus dynamisch und visuell im Sinne der Bühne schaffenden Dramatiker zu diesen romantischen Ausschweifungen.
 Die „Wunder“ in der „Jungfrau von Orleans“ sind denn auch die besten Anhaltspunkte für die negative, z.T. spöttelnde Kritik mancher Literarhistoriker. Vor allem die amerikanische Kritik, die sich leicht in rationalistischen und rein psychologischen Argumenten erschöpft, bekundet einen Mangel an Einfühlung in die romantische Atmosphäre. Calvin Thomas, der prominenteste der amerikanischen Schiller-Kenner, lässt zwar das „Wunderbare“ (the marvelous) im Leben der Jungfrau gelten, verwahrt sich aber kritisch gegen die „Wunder“ (the realm of pure miracle).
Während er feststellt, dass Schillers „ultra-romantische Behandlung“ der Geschichte der Jungfrau zu scharfer Kritik Anlass gegeben hat, findet er anderseits, dass dogmatisierende Erörterungen, ob es „zulässig“ sei, das Übernatürliche auf die Bühne zu bringen, dem Werk in keiner Weise gerecht zu werden vermögen. Denn, sagt er:
„The proof of the pudding is not in the cook’s recipe. “ Er weist darauf hin, dass die Schwierigkeit, die sich uns Modernen (insbesondere Amerikanern) Einschätzung des Werkes bietet, grundsätzlicher Art ist, indem und das Romantische als solches schwerlich anzusprechen vermag. Wenn man aber die „Jungfrau“ als romantische und damit spezifisch deutsche Schöpfung zu werte versteht, begreift man, dass sie bis zum heutigen Tag ein Hausschatz der deutschen Bühne geblieben ist.
 Das abschliessende Zitat gibt Calvin Thomas‘  Werturteil über Schillers romantische Tragödie wieder: 
(aus „Life  & Works of Schiller“)
 „To enjoy the play it is necessary to put aside one’s rationalism
And surrender oneself to the illusion one knows that the author
Wishes to produce.  “The Maid of Orleans” does not compel the surrender like “Wallenstein”; one must meet the poet half-way.
That done, however, everything is in order, for the technique
Of the play is faultless.” (p.385)
 “…his experiment was received with ecstasy at its first
Performance and has ever since held its place in the affection
Of the German play-poor’s. They are not troubled by its irrationalities,
But receive them with pious awe, as Schiller intended. For the reader,
Too, “The Maid of Orleans” has a deep and perennial fascination.
Theorize about it as we may, it is a great popular classic, which
Has exerted an enormous educative influence and proves how thoroughly
its author knew the heart of the German people.” (p.375)
 gelesene Partien:
W. Schröder:  Aufgaben aus „Die Jungfrau von Orleans“
                         (Grundcharakter, p.1-8, Verschiedenes)
H. Düntzer:     Schillers Jungfrau von Orleans  (Stellenweise)
J. Bellermann:  Schillers Dramen  (J.v.O. stellenw.)
C. Thomas:   The Life and Works of Friedrich Schiller  
                         (The Maid of Orleans, p.371-386)
Merker-Stammler:  Real Lexikon der dt. Literaturgeschichte (p.244ff)
Costwick and Harrison: Outlines of German Literature   (p.328ff)
Scherer:         History of German Literature (translated) (p.218ff)
R. Haym:        Die Romantische Schule (st.W)
Fr. Gundolf:    Romantiker (Friedr. Schlegel; (p.1-65)
The German Classics vol.IV  (Aug.Wilh. Schlegel: Lectures on Dramatic Art, p.71-79
Ludw. Thieck: Leben und Tod der heiligen Genoveva,   Ein Trauerspiel.

fks

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