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215/16 wurde in Babylonien Mani geboren und zwar von Vater und Mutter her aus arsakidischem Geschlecht. Durch seinen Vater, der sich, wie erwähnt, der gnostisch-täuferischen Sekte der Mugtasila in der Mesene angeschlossen hatte, scheint er starke religiöse Eindrücke gewonnen zu haben. Diese Mugtasia, die wie die Mandäer Beziehungen zu Palästina und zu dem spät jüdischen Sektiertum aufweisen dürften, huldigten asketischen Gebräuchen, enthielten sich des Geschlechtsverkehr. Mit den in Babylonien lebendigen geistigen Strömungen muss Mani sich früh bekannt gemacht haben. Als Iranier war ihm die mazdaistische Lehre geläufig, er lernte aber neben den Evangelien nach Tatians Diatessaron auch andere christliche Auffassungen kennen, wahrscheinlich solch der Valentinianer und Markioniten mit Markions Antithesen. Wichtig waren für ihn auch die Arbeiten seines älteren, stark astrologisch eingestellten Zeitgenossen Bardesanes syrische Schriftsprache von Knabe war. Des Bardesanes syrische Schriftsprache von Edessa, nicht aber das südbabylonische Aramäisch verwendet Mani in seinen syrischen Schriften. Auch Buddhistische und sonstige indische Anschauungen kann Mani bereits in seiner babylonischen Heimat kennengelernt haben, wo er mit Griechen ebenfalls in Berührung zu kommen vermochte.
Nach reiflicher Vorbereitung ist Mani 242 mit seiner neuen Lehre hervorgetreten, im gleichen Jahre, in dem Plotinos den Kaiser Gordianus nach Mesopotamien begleitete. Sahpuhrs I. Bruder Peroz scheint Mani die Wege am Hofe geebnet zu haben. Der Grosskönig, dem Mani seine neue Lehre in einer Audienz vortrug, widmete er ein Buch, das Sahpuhrakan, das einzige Werk, das der Religionsstifter in Pahlavi verfasste.
Das neue Glaubenssystem, das Mani Sahpuhr I. in einem dem iranischen Vorstellungskreis angepassten Gewande vorführte, scheint auf den Grosskönig Eindruck gemacht zu haben, zumal Peroz, der als Kusan-sah die Verwaltung von Xorasan erhalten hatte, und Ohrmazd, der Sohn des Sahansah, der manichäischen Doktrin wohlwollend gegenüberstanden. Aber gegen die Priesterschaft, der die Verbreitung der manichäischen Ansichten bedenklich erschien, vermochte Mani sich nicht zu behaupten. Er musste die Residenz des Grosskönigs verlassen und fand bei Peroz im Osten des Reiches Zuflicht. Von seinem Sitz beim prinzlichen Generalstatthalter des ehemaligen Kusangebietes aus soll Mani, der an Ort und Stelle Buddhisten und wohl auch Janias kennenlernen konnte, Gelegenheit gehabt haben, Reisen nach Turkestan, Tibet und dem nördlichen Indien auszuführen; vielleicht hat er unter Sahpuhr I. überhaupt aus dem Perserreich weichen und sich nach Mittelasien begeben müssen.
Ohrmazd I., zu Lebzeiten seines Vaters zeitweilig ebenfalls Gouverneur von Xorasan, scheint Mani während seiner kurzen Regierungszeit 272—73 nach Babylonien haben zurückkehren lassen, das Mani als den Mittelpunkt seiner Werbetätigkeit betrachtete. Der Nachfolger Ohrmazds, Bahram (Varhran) I., sah sich jedenfalls kurz nach seiner Thronbesteigung veranlasst, gegen Mani einzuschreiten, der nach einem Religionsgespräch mit den Mobeds zu Grundesapur 273—74 öffentlich gekreuzigt wurde.
Die scharfe Abwehr der manichäischen Gedankengänge durch die Priesterschaft des staatlich anerkannten Mazdakults war vollkommen verständlich. Neben dem Christentum entstand hier dem Zoroastrismus ein wirklich bedenklicher Gegner, während das neuplatonische Heidentum wohl der christlichen Kirche, nicht aber dem Mazdaismus gefährlich werden konnte.
Im Abendlande standen sich dann der philosophisch durchtränkte Götterkult, das Christentum und als neu aufgetauchter Rivale der Manichäismus in scharfem Ringen gegenüber.
Wenn der Manichäismus, der bald überall unterdrückt und auf das heftigste verfolgt wurde, ernsthaft den Wettbewerb mit den anderen geistigen Strömungen der Zeit aufzunehmen vermöchte, so erklärt sich das daher, dass er alle in der Gnosis wie in den verschiedenen hellenistischen Mysterienreligionen des Orients verborgenen Kräfte zusammenfasst. Mani, der seine Offenbarungen von dem Engel El Tawam empfangen haben will, hat bewusst eine neue synkretistische Religion geschaffen.
Als Seher und nicht als Systematiker ist er dabei vorgegangen und hat seine Lehren in dichterischer Art unter Mythen und Symbolen verhüllt. Er war davon überzeugt, dass er an die Stelle der alten Glaubensformen etwas Neues zu setzen berufen war.
Von Babylonien, dem „Herzen von Eransahr“, aus wollte Mani seine neue Erkenntnis verkünden. Wie der Buddha nach Indien, Zarathustra nach Persien und Jesus nach dem Westen, behauptet Mani nach Babylonien gesandt worden zu sein, als der in Johannesevangelium verheissene Paraklet. Aus den bei syrischen, griechischen, lateinischen und islamischen Schriftstellern verstreuten Nachrichten in Verbindung mit den Fragmenten des manichäischen Originalschrifttums aus Turfan ist es mühsamer gelehrter Arbeit gelungen, Licht über das wahre Wesen des Manichäismus zu verbreiten. Er selbst hält sich für einen dankbaren Schüler, der dem Lande Babel entsprossen ist, der als Verkünder auftreten soll, um einen Schrei zu erheben über die auf Erden entstandene Welt.
Seine Werke hat Mani bis auf das Sahpuhrakan auf Syrisch verfasst. Da er sich als der Vollender der bestehenden Religionen ausgab, musste er seine Terminologie diesen anpassen. Unbedingt verworfen hat er wie manche Gnostiker und Markion das Judentum und mit ihm das Alte Testament. Neben den christlichen Gedanken, besonders den Auffassungen des Paulus, sind es griechische Wendungen, die er benützt hat. Die Mazdaisten bekamen wieder die Doktrin in einer Weise dargelegt, die den Manichäismus als eine Entwicklung des Zoroastrismus erscheinen liess. Mani hat diese Verhöllung seiner wahren Absichten offenbar bewusst angestrebt, denn das Sahpuhrakan zeigt bereits die neue Lehre in iranischem Gewande.
Er wollte die Anhänger aller Religionen gewinnen, daher war es notwendig, zunächst dem einzelnen Gläubigen auseinander zusetzen, dass er sich in der gewohnten Umgebung befinde. Den Widerstand, der ihm von seiten der Magier wie der verschiedenen Religionsgemeinschaften entgegengesetzt wurde, hat Mani zu entkräften getrachtet, indem er den Auserwählten, den electi oder zaddig, die Einsicht in die wahre Lehre vorbehielt. Die Laienhörerschaft der auditores war dagegen der Ansicht, Christen oder Zarathustrier zu sein, die nur der von Mani eingesetzten Richtung innerhalb dieser Religion folgten.
Diese Verhüllung der eigentlichen Ziele des Manichäismus verbindet sich mit dem Begriff zandik, der den Ausleger von Texten nach ihrem wahren, verborgenen Sinn bezeichnet und in islamischer Zeit als Name für die Manichäer verwandt allmählich aber allgemein zum Ausdruck für Ketzer und Freigeister benützt wurde.
In Abweichung von den mazdaistischen Lehren, wie sie in der Gestalt des Zervanismus sich darbieten, ging Mani von der Uranfänglichkeit der zwei Grundsätze des Guten und des Bösen, des Lichts und der Finsternis aus. Es sind dies die beiden Wurzeln, die mit den drei Momenten der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft die Welt bestimmen. Der Vater der Grösse, abha de rabbutha, thront im Reich des Lichts, von ihm getrennt haust der Fürst der Finsternis im Bwlos. Aus der Finsternis, hessoxa erhebt sich der böse Geist zum Sturm gegen die lichte Welt. Die Initiative der finstern Mächte setzt also den Weltprozess in Gang, nicht der Wille des Lichtkönigs, den die persische Version der manichäischen Doktrin mit Zrvan umschreibt. Zur Abwehr der Angriffe der Heerscharen des Bösen lässt der Herr des Lichtparadieses den Urmenschen Ohrmazd entstehen, der Urmensch gerät aber in die Macht des Herrn der Finsternis. Seine zivane oder Lichtelemente werden mit der Finsternis vermengt. Was andere Quellen von Ohrmazd berichten, behauptet Alexander von Lykopolis von der Psyche, ein Begriff, den Augustin mit anima bona wiedergibt.
Durch neue Emanationen kommt der Lichtkönig dem Urmenschen zu Hilfe, der die Archonten der Finsternis zwar besiegen, das von ihnen verschlungene Licht aber nicht retten kann. Die Schöpfung der Welt durch den Demiurgen, den lebendigen Geist, aus dem Leib eines erschlagenen drachenförmigen Ungetüms, ist die Folge der Vermengung des Lichtes und der Finsternis, und der Sinn des Weltgeschehens ist der, durch allmähliche Läuterung die lichten Bestandteile aus der Verstrickung mit der Finsternis zu befreien. Die gefesselten Archonten sind am Himmel angeheftet und werden vom „Gesandten“ Mithras um ihre lichten Bestandteile gebracht.
Die Sonne, die Station des Mithras, und der Mond, der Bereich Jesu, sind, als grosse Schöpfräder vorgestellt, solche Läuterungspunkte, die auch die Seelen der Verstorbenen berühren müssen.
Der Fürst der Finsternis und seine Gefährtin Nebrod brachten nach dem Bilde des „Gesandten“ Adam hervor, in dem reichlich Lichtelemente verborgen waren. Jesus, stieg zu Adam herab und gab ihm, der im Schlaf der Materie befangen war, vom Baum des Lebens zu kosten. Da erkannte Adam, dass in dem finstren Gefäss des Körpers seine lichte Seele gefangen sei. Zur Fesselung an das böse Dasein liess der Fürst der Finsternis Eva entstehen. Das in der Welt gebundene Licht ist der Jesus patibilis der Manichäer, wohingegen Alexander von Lykopolis von der in der Materie gekreuzigten Psyche spricht. Hinsichtlich der irdischen Laufbahn Jesu, wie sie in den Evangelien enthalten ist, nahm Mani an, dass Jesus als göttliches Wesen nicht vom Weibe geboren sei und auch nicht den Kreuzestod habe erleiden können. Er schloss sich also den doketischen Meinungen an, die bei den Markioniten wie bei manchen gnostischen Strömungen verbreitet waren. Jesus war in Manis Augen mehr als die burxan Zarathustra oder oder Buddha, er ist die himmlische Potenz, der die Erlösung der Gesamtheit der Seelen obliegt. Denn der Manichäismus beschäftigt sich nicht mit dem Verhältnis des einzelnen Menschen zu Gott, sondern mit der Beziehung des Lichtes in seiner Allgemeinheit zu der ebenso generell aufgefassten Finsternis. Das in der Form der Seelen an die menschlichen Körper gebundene Licht zu befreien, ist Jesu Aufgabe.
Zur Aufklärung der Menschen entsenden die Lichtmächte Boten, burxan genannt, in das irdische Dasein. Ihr letzter, das „Siegel des Propheten“, ist Mani, der sich als den Apostel Jesu bezeichnet, freilich nicht des missverstandenen Jesus, wie ihn die Christen verehren, sondern des in seiner wahren Natur von Mani erkannten himmlischen Lichtwesens. Die mönchisch lebenden Auserwählten richten ihre Besinnung auf die göttliche Herkunft, der lichten Elemente und der Seele; sie führen ein Leben der Reinheit und Enthaltsamkeit und dienen so der Befreiung des lichtes. Kunst und Musik sind wichtige Faktoren zur glücklichen Durchführung des grossen Läuterungsverfahrens, das nach der Meinung späterer Richtungen seine Seelenwanderung mit einschliesst. Die Finsternis bemüht sich, diesen Prozess zu stören, aber solange es electi in der Welt gibt, schreitet die Erlösung des Lichtes fort.
Ist alles Licht aus der Vermischung mit dem Finstern gelöst, dann errichtet Ban die Mauer, die für immer die Finsternis umschliessen wird. Licht und Dunkel werden wieder getrennt, wie das am Anfang war, und ein Weltenbrand von 1468 Jahren vernichtet die Erde, aus der durch das Feuer die letzten lichten Bestandteile herausgeholt werden. Der zukünftige Endzustand gleicht also der Lage zu Beginn des Weltgeschehens.
Die pessimistische Lehre von der ewigen Unvereinbarkeit der beiden ursprünglichen Tendenzen lässt auch das aus finsterer Materie und lichtem Geist gemischte Dasein als schlecht und nicht wünschenswert erscheinen. Hoffnungsvoll ist die manichäische Religion insofern, als sie für den Menschen die allmähliche Läuterung der Seelen und die Zurückführung ihrer göttlichen Bestandteile ins Lichtparadies in Aussicht stellt, aber diese Erwartung ist jenseitig. In der sublunaren Sphäre ist ein Sieg des Guten nicht zu erwarten, vielmehr soll die Erde dereinst der Vernichtung anheimfallen. Massgeblich für Mani ist nicht das Verhältnis Gottes zum Menschen, sondern die Erkenntnis der wahren Beziehungen zwischen Licht und Finsternis, die ihrem Wesen nach niemals etwas miteinander gemeinsam haben können. Die Gnosis oder Psyche, monuhmedh, ist denn auch ein tragender Begriff der manichäischen Dogmatik.
Diese Einsicht in die wahren Zusammenhänge war nur der Gruppe der Auserwählten zugänglich, denen auch klar gemacht wurde, dass die manichäische Wahrheit den Schlussstein aller bisherigen Offenbarung bedeutete. In ordensmässiger Geschlossenheit wachten die hierarchisch abgestuften Mitglieder der eingeweihten manichäischen electi darüber, dass die Doktrin manis Verbreitung fand, die asketischen Vorschriften der Religion befolgt wurden und dadurch das Werk der Befreiung des an die dumpfe Materie gefesselten Lichtes seinen Fortgang nahm. Gläubigen geschiedenen Oberen hat die Verbreitung und Erhaltung des Manismus weitgehend gefördert. Des staatlichen Organismus hat die von Mani gepredigte Religion sich nämlich nur bei den Uiguren bemächtigt, sonst musste sich ausschliesslich auf ihre eigenen Kräfte verlassen, im besten Falle geduldet, meist aber mit glühendem Hass verfolgt.
Denn de Manichäismus hat nicht nur in Iran, sondern ebenso im Abendland wie im weiteren Osten eine erhebliche Anziehungskraft auszuüben gewusst. Unter der Maske des wahren Christentums hat er sich im Römerreich ausgebreitet, so dass Diocletian 296 in Alexandrien einen ersten Erlass gegen Mani veröffentlichte, der von den Kaisern in Zwischenräumen wieder aufgenommen wurde. Trotzdem hat das Manichäertum, dem Augustin als Hörer angehangen hat, sich immer wieder durchzusetzen vermocht. Bis zu den Katharern und Albigensern beobachtet man die Auswirkung manichäischer Gedankengänge.
Nicht anders als die christliche Kirche, die in den Manichäern und ihren Fortsetzern ihre schärfsten und heftigsten Gegner spürte, hat der Mazaismus sich gegen die Sekte zur Wehr gesetzt. Nach der Hinrichtung Manis unter Bahram I. sah Sahpuhr II. sich genötigt, wieder gegen die Anhänger des Manichäismus einzuschreiten.
Mesopotamien, Ostiran, Samarkand und das östliche Turkestan bildeten wichtige Sitze manichäischer Gemeinden, die sich ausserhalb der Machtsphäre der Römer, Byzantiner und Sasaniden ungestört entfalten konnten. Es ist nicht ganz klar, ob die armenischen Paulikianer mit den Manichäern zusammenhängen oder nicht vielmehr mit den Markioniten, deren Meinungen Mani vertraut waren. In islamischer Zeit, als eine Unterdrückung durch die Zoroastrier nicht mehr zu befürchten stand, haben namentlich am Hofe der Abbassiden die Manichäer eine wichtige Rolle gespielt. Gerade feinere Köpfe fühlten sich im Abendland wie im Orient zu dieser Religion hingezogen, die von China bis Europa sektenbildend gewirkt hat.
Als eine eigentlich iranische Bewegung vermag man diese Lehre freilich nicht anzusprechen. Nur ihr Gründer war ein Perser, der die Gabe besass, das geistige Gut vieler Völker zu vereinen und daraus ein Gebilde zu schaffen, das die Geister bewegte und selbst in der Erregung der Abwehr befruchtend gewirkt hat.
DAS WELTBILD DER IRANER
VON
O.G. VON WESENDONK 1933
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