Montag, 18. Februar 2013

Monomanie und Monotheismus (Pharao ECHNATON)


Thomas Mann und Echnaton
Der ägyptische Pharao Echnaton wurde zu Lebzeiten Thomas Manns – der seinen "Joseph" in der von diesem Herrscher geprägten Amarna-Epoche ansiedelte – zum Lichtbringer und Friedensfürsten verklärt.  
Mit Echnaton bestieg 1352 v. Chr. Zum ersten mal ein Pharao den Thron von Unter- und Oberägypten, der sich im emphatischen Sinne als Subjekt begriff und die jahrhundertealten Dogmen in den Bereichen Kunst, Dichtung und Religion auf den Kopf stellte: die idealisierten Darstellungen weichen manieristischen Comics-Grotesken, die Sprache des Volkes wird zur Schriftsprache geadelt und das alte Götterpantheon zugunsten eines solaren Monotheismus entmachtet, dessen Wahrzeichen die Sonnenscheibe Aton ist.
Die kurze Geschichte von Nofretete und Echnaton, der als erster Philosoph auf dem Thron Jaspers, Konzeption einer "Achsenzeit" und Jahrhunderte sprengt, hat, Literaturgeschichte gemacht. 
Alfred Grimm hat es sich zur Aufgabe gemacht, Bezüge zwischen dem Joseph-Roman und den von Mann konsultierten ägyptologischen „Fachbüchern“ herzustellen. (Alfred Grimm: Joseph und Echnaton – Thomas Mann und Ägypten, Verlag Philipp von Zabern, 1992).
Dabei ordnet er die ägyptologischen Textvorlagen und die Mannsche Romanab- und  - Umschrift in der Art eines Spiegelkabinetts an, so dass der Leser anschaulich mitverfolgen kann, wie beispielsweise ein nüchternes "nach Westen" aus Ermann / Rankes Standardwerk  "Ägypten" von Mann zu einem "gegen Abend" "literarisiert" wird. Es springt auch ins Auge, dass Mann, wenn er seinen "Joseph" zur Zeit Echnatons, also in der sogenannten Amarna Epoche, spielen lässt, dem modischen Zeitgeist der Zwischenkriegsjahre huldigte, als man in Echnatons Regierung ein "pazifistisches" Gegenmodell zur eigenen Gegenwart, eine historischen, schwärmerisch gewordenen Ägyptologen, Gewalt -, bereit, am Kreuze die Arme der ganzen Welt entgegenzubreiten.
Staunend stand die Welt vor den Amarna-Zeugnissen – eine Gegenwelt auch zum bisher bekannten Ägypten: während dem Betrachter im "Tal der Könige" messerwetzende Unterweltsdämonen und "hundsköpfige" "Goethe" Götter entgegen starren, lächeln einem in den Amarna-Gräbern lichtdurchflutete Gartenbilder entgegen, über denen der neue einzige Gott als Sonnenscheibe schwebt und die gesamte Schöpfung mit seinen bildlich umgesetzten Strahlenarmen liebkost; statt sich in waffenstrotzenden Schlachtbildern zu verewigen wie seine Vor- und Nachfahren, überschüttet Echnaton seine Beamten auf den Reliefs mit Ehrengold, indes seine nackten Töchter vor aller Augen mit den elterlichen Machtinsigniern ihr unschuldiges Spiel treiben; und statt mit hermetisch-dunklen Unterwelts-Schilderungen werden die Gräber mit naturseligen Sonnenhymnen geschmückt, die der "Dichter Fürst" Echnaton selber verfasst hat und die zum Kanon der literarischen Meisterwerke Ägyptens avancierten.
Dass Mann den "grossen Sonnenhymnus" im Verlauf einer zweiseitigen Paraphrase durch verniedlichende  Zusätze ("Aber wenn ich an das Mäuslein denke (…) da sitzt es mit seinen Perl-äuglein und putzt sich die Nase mit beiden Pfötchen") aufputzte, mag mit dem monotheistischen „Rosenöl einer zärtlich verschwärmten Liebesreligion“ zusammenhängen, das Echnaton laut Mann aus dem Polytheismus destillierte, Betrachtet man die Amarna-Zeugnisse jedoch unvoreingenommener, so kann man nicht umhin, festzustellen, dass die Hofetikette nirgends sonst so deutlich ins Bild gesetzt worden war und die Höflinge zu keiner Zeit derart tiefe Bücklinge vollführt hatten, um den Mannschen Friedensapostel Echnaton untertänigst zu preisen: "Die ganze Erde erzittert vor dir (…) dein Kriegsruf vernichtet ihre Leiber wie Feuer das Holz."


Thomas Mann und Echnaton
Von Stefan Zweifel
Literatur und Kunst
NZZ März 1993
Abbildungen
ECHNATON 
KÖNIG VON ÄGYPTEN
ARTHUR WEIGALL 1923










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