Mittwoch, 9. April 2014

DER EINFLUSS DER IRANER AUF DIE UMWELT - DIE GRIECHEN

DER EINFLUSS DER IRANER AUF DIE UMWELT     
           a. DIE GRIECHEN
Die geistigen Errungenschaften der Iraner haben, wie dargelegt, wurde, bei den Völkern des Reiches wie bei den aussenstehenden Nationen lebhafte Beachtung gefunden. Der ausgeprägte Dualismus, der als das kennzeichnende Merkmal des Mazdaismus in seiner jungavestischen Gestalt betrachtet werden kann, war im 4. Jahrhundert den Griechen vertraut. Von Aischylos an lässt sich verfolgen, wie die Griechen den Persern eine gewisse Achtung bezeugen; die für die Hellenen umso rühmlicher ist, als sie dem nächtigen Perserreich Wiederstand zu leisten vermochten. Die iranische Geisteswelt war den Griechen also nicht durchaus verschlossen. Es läge nahe genug, in der Entwicklung der Hellenen den Spuren iranischen Einflusses nachzuspüren. Nun liegen die Dinge freilich nicht einfach so, dass Persien und Griechenland gleichsam als gleichberechtigte Faktoren nebeneinanderstanden.
Herakleitos, der in Ephesos mit iranischen Kreisen in Berührung kommen konnte, begreift Mysten, Magier und Schwärmer unter die Kategorie falscher Gottesdiener, die er ablehnt.
Gerade bei ihm hat man wegen seiner Betonung des Feuers als des Grundprinzips an die Herübernahme des iranischen atar- gedacht, ohne darauf Rücksicht zu nehmen, dass es sich bei der Denkers von Ephesos und dem kultisch verehrten Feuer der Iranier um grundverschiedene Dinge handelt.
Genau so wenig Berechtigung hat es, des Anaxagoras mit dem Mazda – der Gatha in Parallele zu bringen, auch wenn es reizvoll erscheint, die Betonung der Geistigkeit des göttlichen Prinzips bei den Griechen und den Iraniern nebeneinanderzustellen.
Trotz der Übereinstimmung mancher Anschauungen in den Werken der knidischen Ärzteschule mit denen des Bundahisn darf man gleichfalls nicht etwa daran glauben, die ionischen Ärzte hätten sich von persischer Weisheit beeinflussen lassen.
Eine wesentliche Quelle des Bundahisn, der Dämdät Nask, ist ein Teil des avestischen Korpus. Nichts berechtigt uns aber anzunehmen, dass solche avestische Schriften oder ihre Inhalte den Griechen bekannt waren. Vielmehr erklären sich Übereinstimmungen zwischen griechischen und iranischen Vorstellungen einfach daher, dass beide, Hellenen wie Iranier, auf den Schatz vorderasiatischen Wissens zurückgriffen, wobei die Frage der die Übertragung bewerkstelligenden Mittelglieder unerörtert bleiben kann. Die Magier haben jedenfalls von frühen Zeiten an in enger Berührung mit den Priesterschaften Babyloniens und anderer Länder gestanden. Es ist daher ohne weiteres erklärlich, dass sich in den iranischen Vorstellungen der achämenidischen Epoche zahlreiche babylonische Elemente nachweisen lassen, so im vorliegenden Falle die Lehre von der Entsprechung von Makro – und Mikrokosmos, die den knidischen Ärzten wie dem Dämdät Nask bekannt war. Sie ist die Grundlage der astrologischen Einstellung und macht es verständlich, warum die Vorgänge am Himmel ihr Gegenstück beim Menschen aufweisen. Griechische Ärzte sind weit umhergekommen. Neben ägyptischen Berufsgenossen treten sie am Hofe der Grosskönige auf. Ihre Kenntnis babylonischer Anschauungen können sie sich ebensogut bei den chaldäischen Priestern selber wie bei den Ioniern verschafft haben, wo die Spuren der Vertrautheit mit vorderasiatischen Geistesströmungen von früher Zeit an zu verfolgen sind. Das Auftauchen ähnlicher, von der uralten babylonischen Kultur beeinflusster Auffassungen zeigt nur, dass die Völker umspannende Reich der Achämeniden der geeignete Untergrund für die Verbreitung und Erhaltung der Errungenschaften aller Nationen war. Sehr aufschlussreich ist in dieser Hinsicht die achämenidische Kunst, die das Beste von überallher zusammentrug und daraus ein neues Ganzes schuf. Seit Pherekydes und Hesiod ist die Lehre von den Weltzeitaltern auf griechischem Boden anzutreffen, schon in verdüsterter Färbung bei Hesiod, der die Abfolge der Epochen als eine dauernde Verschlechterung des Weltzustandes auffasst. In nicht näher festzulegender Weise haben hier vorderasiatische Anschauungen nachgewirkt, die von den Hellenen durchaus selbständig verarbeitet wurden.
Dem gleichen Boden ist die oben behandelte magische Lehre von den Perioden entsprungen, in deren Verlauf Ahura-Mazda-und ahra-manyu- um die Vorherrschaft, streiten, bis aber entsprechend der optimistischen Tendenz der iranischen Weltanschauung das Gute schiesslich obsiegt. Unmittelbar hat die magische Lehre die Griechen jedenfalls zunächst nicht befruchtet, und auch nach ihrem Bekanntwerden im 4. Jahrhundert ist sie ohne Wirkung geblieben, denn die bei Griechen und Iraniern aufzuspürenden babylonisch-vorderasiatischen Elemente sind schon weit früher zu den Hellenen gedrungen, ohne dass für diesen Prozess das Eingreifen von Iraniern notwendig gewesen wäre.
Sind im Perserreich hellenische Staatsmänner, Soldaten, Ärzte, Künstler und Kaufleute oft an hervorragender Stelle tätig gewesen, so ist es auch bei der Haltung der Griechen gegenüber den Barbaren begreiflich, dass eine gewisse Kenntnis iranischer Sitten, Anschauungen und Gedanken sich verbreitete. Das Nebeneinanderleben der Völker war viel zu eng, als dass sich nicht gegenseitig Berührungspunkte ergeben hätten.
Die Spuren griechischer Befruchtung des Ostens kann man ziemlich weit hinauf verfolgen, und auch Hellas hat sich vom Orient zu lernen bemüht. In manchem praktischen Fall lässt sich das unmittelbar nachweisen. Die systematische Zusammenfassung der Einzelergebnisse ist aber dann das Werk der Griechen gewesen, die Ordnung in die Menge der Erscheinungen zu bringen vermochten.
Im Verlauf der achämenidischen Geschichte wandten die iranischen Grossen griechischen Dingen ihre Aufmerksamkeit zu. Im wechselseitigen Austausch wurde auch das Interesse der Griechen wachgerufen, die sich in den Kreisen der Akademie mit ägyptischer, babylonischer und persischer Weisheit zu belassen begannen. Die astralen Elemente in der Pythagoräischen Lehre stehen auf irgendeine, wenn auch noch so entfernte Weise in Zusammenhang mit Babylon, und die Pythagoräisch-orphischen Spekulationen wurden wieder von Platon aufgenommen.
Die östliche Wissenschaft wurde in dem Akademischen Milieu jedenfalls lebhaft. So ergänzte etwa Philippos von Opus die Gesetze Platons durch ein dreizehntes Buch, die Epinomis, die der Sternweisheit des Orients voller Achtung gedenkt und die Sternkunde eine bei den Griechen noch junge Wissenschaft nennt. Zu den Freunden Platons zählt Eudoxos der Knidier, dessen Angaben über die Perser wir wiederholt begegnet sind. Theopompos und der Aristoteliker Eudemos von Rhodos kennen den Glauben de Magier an die Auferstehung der Toten, den vielleicht auch Herodot bereits behandelt und mit Kambyses in Verbindung bringt. Platon lässt im Staat den Er, den Sohn des Armenios, einen Pamphyler, der in der Schlacht gefallen und wieder auferstanden war, von dem erzählen, was er als Toter gesehen habe. Er schildert die Richter an den zwei Schlünden, von denen die Seelen nach rechts zum Himmel oder nach links zur Unterwelt gewiesen werden, während Er selber als Bote zu den Menschen zurückgesandt worden sein will. Die Totenrichter sind der nachavestischen iranischen Überlieferung wohlvertraut, die aber vielleicht ältere Anschauungen widerspiegelt: Mithra-, Sraosa- und Rasnu- entscheiden über das Schicksal der Seele an der Brücke Cinvat-. Doch kennt auch die griechische Welt drei Totenrichter, Minos, Aiakos und Rhadamantys, den die Odyssee als Herrscher in den Gefilden der Seligen erwähnt und dessen Namen ans Skythische anklingt. Im Gorgias lässt Platon den Rhadamantys Richter über die Asiaten, Aiakos dagegen über die Europäer sein, während Minos Oberrichter in beiden Fällen ist. Eine iranische Vorstellung braucht dem Platonischen Mythos von Er nicht zugrunde zu liegen. Pamphylien war freilich eine von Iraniern stark durchsetzte Landschaft Kleinasiens, und Armenios, der Name des angeblichen Vaters des Er, könnte auf Armenien deuten; man hat daher in Er Aram, den Stammhelden der Aramäer und den von den Aramäern übernommenen Nationalheros der Armenier erblicken wollen, den Aray des Pseudo-Moses von Chorene. Bei dem Epikureer Kolotes und bei Clemens von Alexandrien findet sich dann die Bemerkung, Er, der Pamphyler, sei Zoroaster. Aber damit ist für Platon selber durchaus nichts gesagt. Vielmehr wird man in Er nichts weiter als eine zufällig nach Pamphylien versetzte Persönlichkeit zu erblicken haben.
Ebensowenig möchte man bei der Annahme einer bösen Weltseele, die als ein Gegenstück zu dem –der Iranier betrachtet worden ist, eine Erinnerung an Persisches bei Platon voraussetzen. Denn auch die als Widerpart zu der wohltätigen Weltseele in den Gesetzen erscheinende Welt seele, die das Gegensätzliche schafft, ist durchaus aus griechischen Voraussetzungen zu erklären.  Dualistische Anschauungen sind ja weit verbreitet und namentlich dem griechischen Denken durchaus vertraut. Der Wechsel von Gut und Böse, Licht und Finsternis, Liebe und Hass ist eine sich überall der Beobachtung aufdrängende Tatsache, zu deren Darlegung nicht die Heranholung fremder iranischer Vorbilder notwendig erscheint. Schon bei Aristoteles finden sich Pherekydos, Empedokles, Anaxagoras und die Magier auf eine Stufe gestellt; Plutarch hat dann die dualistischen Strömungen innerhalb der griechischen Geistesgeschichte verfolgt und Platons böse Weltseele in Verbindung mit magischen, chaldäischen und besonders ägyptischen Lehren gesetzt.  Aber eine Abhängigkeit Platons vom Orient behauptet er nicht.
Wenn daher Platon sich mit der Weisheit des Ostens beschäftigt hat, so geschah sich mit der Weisheit des Ostens beschäftigt hat, so geschah das nicht, um Anregungen dorther zu suchen, sondern es bot ihm einen Anreiz, seine eigenen Lehren durch entsprechende Anschauungen aus dem orientalischen Bereiche gleichsam bestätigt zu sehen. Philippos von Opus, der bereits erwähnte Schüler Platons, hat in der Epinomis die Kenntnisse der Barbaren hoch gepriesen, dabei freilich besonders Ägypten und Syrien gemeint, die er auch ausdrücklich nennt, während er von Persien schweigt. Es ist durchaus zu begreifen, dass bei Platon und den ihm nahestehenden Elementen ein lebhaftes Interesse für den Orient herrschte. Jedoch ging dieses nicht soweit, dass die offenbar wenig klaren Vorstellungen von dem Kern der iranischen Lehre nun zum Vorbild für das eigene Philosophieren wurden.
Dabei sind eine Anzahl tatsächlicher Anklänge zwischen der Platonischen Denkungsart und der alten gäthischen Lehre zu spüren. Die Betonung ethischer Momente im pseudoplatonischen Alkibiades I entspricht ähnlichen Darlegungen bei Xenophon. Man könnte in Alkibiades I Andeutungen finden, die an die avestischen Begriffe mazda-, asa-, xratu- und xsathra- denken lassen. Diese Vorstellungen aus dem iranischen Bereiche scheinen dem Verfasser des Akkibiades I allerdings kaum vorgeschwebt zu haben, sondern er berief sich ganz allgemein auf gute Eigenschaften, die man bei den Persern als vertreten ansah und die ja such seit Herodot bei ihnen hervorgehoben werden.
Bei dem Platonischen System selber könnte man die Ideenlehre überhaupt neben die gäthische Scheidung des Geistigen und des Körperlichen stellen. Miteinander zu tun haben diese Anschauungen des attischen Denkers und des iranischen Religionsstifters allerdings nichts. Die gäthische Doktrin von der Willensfreiheit hat ihr Gegenstück in Platons Annahme, dass sich der Mensch seinen Dämon aussuchen können, wobei sogar der Begriff des Wählens wie im Iranischen var- angewandt wird. Aber trotzdem wäre hier ein Vergleich nicht angebracht, weil Platon nur scheinbar ein Vertreter der indeterministischen Auffassung ist.
Ähnlichkeiten lassen sich schlisslich noch konstruieren bei der griechischen Ansicht vom Agon, vom Wettstreit, als einer der Grundlagen menschlichen Schaffens, und der iranischen Darstellung des Weltablaufs als eines Kampfes zwischen Gut und Böse, eines Kampfes, in dem der Einzelne zur Stellungnahme verpflichtet ist. Bei näherem Zusehen erscheint aber auch diese Analogie doch nur oberflächlich.
Vermag daher die Annahme näherer Prüfung nicht standzuhalten, dass auf Platon iranische Lehrmeinungen eingewirkt haben, so hat das Trachten, aus den iranischen Kulturen verwandte Züge zu eigenen Auffassungen heranzuziehen, für die spätere Zeit bedeutsame Folgen gezeitigt. Denn die hellenisierten Orientalen erwiesen sich als geneigt, die ihnen ansprechenden griechischen Doktrinen anzunehmen. Der Platonischen Akademie haben Chaldäer und iranische Grosse nahegestanden. Sie sind dort mit dem Geiste griechischer Denkungsweise und Bildung erfüllt worden, die vielen Orientalen damals bereits als erstrebenswert galt. Von Protagoras wird behauptet, dass er bei den Magiern mit Einwilligung des Xerxes Unterricht genossen habe, doch ist der späten Angabe des Philostratos aus dem 3 nachchristlichen Jahrhundert kaum besonderer Wert beizumessen. Der gewaltige Römergegner und Vorkämpfer der hellenistischen Welt Mithridates VI. von Pontos, dessen Vorfahr dem Platon einst eine Bildsäule in der Akademie errichten liess, war der vollendete Typos solcher östlicher und griechischer Kulturmischung. Diese ist in der Periode der Achämeniden angebahnt worden, und der Boden dafür wurde besonders in jener vorbereitet, als in Hellas das Interesse für die geistigen Vorgänge im Morgenland wach wurde, das dann durch Alexander politisch unter die Leitung der Hellenen geriet. 


Herausgegeben von gustav Kafka
Das Weltbild der Iraner
O. g. von Wesendonk 1933
  
 

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