Samstag, 24. Mai 2014

ترجمه فارسی شعر هپی (شادی ) / این ترجمه تقدیم است به جوانان وطنم که دلشان برای یک قطره شادی لک زده ! / م.سحر

ترجمه فارسی شعر هپی (شادی ) /
این ترجمه تقدیم است به جوانان وطنم که دلشان برای یک قطره شادی لک زده ! / م.سحر
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اینکه دارم می‌گم بتون شاید بگین دیوونگیه
راحت باش، اونهاش اون خورشیده که می‌درخشه
من یه بالونم که گرم می‌شه و می‌رسه به فضا
توهوای آزد، همچین که خیال می‌کنی نگران هیچ کاری نیستی
چرا که من خوشم
دست بزن اگه خودتو مثل اطاقی می‌بینی که سقف نداره
چرا که من خوشم
دست بزن اگه باورداری که خوشی یه حقیقته
چرا که من خوشم
دست بزن اگه می‌دونی که خوشبختی پیش چشماته
چرا که من خوشم
دست بزن اگه دلت می‌خواد

خبرای بد خیلی راحت از این می‌گن و از اون می‌گن
هولهٔ ی ی... هرچی که داری بده به من، نچسب بهش
هو لهٔ ی ی ممکنه خبرت کنم که همه چی خوب پیش می‌ره
هو لهٔ ی ی، به دل نگیری یه وقت وقتتو هدر ندی
چرا که من خوشم

دست بزن اگه خودتو مثل اطاقی می‌بینی که سقف نداره
چرا که من خوشم
دست بزن اگه باورداری که خوشی یه حقیقته
چرا که من خوشم
دست بزن اگه می‌دونی که خوشبختی پیش چشماته
چرا که من خوشم
دست بزن اگه دلت می‌خواد

شادو خوش برو بشکن این هنجار و
شادو خوش برو بشکن این هنجارو
عشقه که شادم می‌کنه تا بشکنم این هنجارو
بجُنب و بشکن ببینم این هنجارو
گفتم دِ بشکن این هنجارو
عشقه که شادم می‌کنه تا بشکنم این هنجارو
بجنب! بشکن ببینم این هنجارو
من که بهت گفتم
چرا که من خوشم

دست بزن اگه خودتو مثل اطاقی می‌بینی که سقف نداره
چرا که من خوشم
دست بزن اگه باورداری که خوشی یه حقیقته
چرا که من خوشم
دست بزن اگه می‌دونی که خوشبختی پیش چشماته
چرا که من خوشم
دست بزن اگه دلت می‌خواد

دست بزن اگه خودتو مثل اطاقی می‌بینی که سقف نداره
چرا که من خوشم
دست بزن اگه باورداری که خوشی یه حقیقته
چرا که من خوشم
دست بزن اگه می‌دونی که خوشبختی پیش چشماته
چرا که من خوشم
دست بزن اگه دلت می‌خواد

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ترجیع بند متن اصلی
Refrain
Because I» m happy Clap along if you feel like a room without a roof Because I» m happy Clap along if you feel like happiness is the truth Because I» m happy Clap along if you know what happiness is to you Because I» m happy Clap along if you feel like that» s what you wanna do
این متن از زبان فرانسه به فارسی برگردانده شد
م.سحر

پاریس

Montag, 5. Mai 2014

DIE TÄNZERIN VON SHAMAKHA - ARMEN OHANIAN

Ich tanzte über Flammen,
Da wurde ich Feuer.
Ich tanzte über Schlünden, 
Da wurde ich Sturm.
IN ARMENIEN
Wenn ich an meine Kindheit zurückdenke, taucht das Land meiner Jugend, der Kaukasus, vor mir auf, und ich erlebe wieder die vielen Dämmerungen, die so leuchtend und so bunt waren. Von ihrer Pracht sprechen die blendenden Farben, mit denen die Bewohner des Landes die Bänder ihrer Gürtel durchwirken. Ich sehe den Kaukasus, wie er sich langsam von den dichten Wolkenschleiern freimacht, die über den grünen, blauen und weissen Gebirgszügen liegen; in der Ferne breiten sich gelbe Ebnen aus, die verlassen und traurig am Fusse wilder Felsen aufseufzen-wie stolze Sklaven vor ihren brutalen Herren.
Ich erinnere mich der Tatarendörfer, die wie Adlerneste geschützt an den Wänden von Abgründen hingen, der rot überhauchten Zitadellen mit byzantinischen Kuppeln, der christlichen Kirchen und der schlanken Minaretts, von denen der wehmütige Gesang der Muezzins beim Anfang der Sonne Gott grüsste und sich mit dem feierlichen Ton der Glocken verband, die zur selben Stunde denselben Gott verherrlichten.
In meinen Ohren klingt noch der Gesang der Vögel mit dem metallischen Klirren des alten Schmucks der armenischen Frauen zusammen; rot verschleiert eilen sie mit raschen Schritten zu der fernen Quelle. Auf den Schultern tragen sie ihre Krüge, und sie beeilen sich um ihren Männern beim Morgengross das frische Wasser in einer Kupferschale zu reichen.  
"Die Erde wacht auf", sagte unsere alte tatarische Amme, während sie ihre runzligen Hände rieb.
Wie recht du hattest, meine alte "Nani": wir sahen, wie die ganze Erde vor unseren Augen erwachte. Heute weiss ich nicht einmal, wann meine nächsten Nachbarn erwachen, die wie ich in ungeheuren Gefängnissen aus rauchgeschwärzten Steinen eingeschlossen sind; heute sehe ich weder den Morgenhimmel noch den Abendhimmel. –
Die Erde erwachte. Bald tollte und schrie ich mit meinen Schwestern in dem weissen Schaum eines Wasserfalls, der von einem Felsen herabstürzte und unseren Garten durchfloss, um zu unseren Nachbarn zu gelangen; und unsere Mutter lachte, weil sie uns so froh sah, und rief uns ins Haus.
Nach kurzer Zeit schon hocken wir allein langen, leichten roten, gelben, blauen Hemden mit Pantoffeln an den nackten Füssen und einem weissen Turban auf dem Kopf wie die Affen auf den Ästen der Obstbäume. Die Dienerinnen rufen uns vergeblich, doch zum Morgentee herunterzukommen; und wieder erscheint unsere Mutter in ihrem georgischen Schleier und mit all den Armbändern, die so reizend zu ihren verzweifelten Gesten klirren; hell und klar schauen ihre schönen Augen auf uns – wie die Diamanten ihrer zierlichen Krone, die zwischen den Perlen ihres Stirnbandes aufblitzen. 
"Ihr Affenwesen da oben, "rief sie," die Cholera rafft die Menschen in unseen Städten dahin, ganze Dörfer sind ausgestorben. kommt schnell herunter von den Bäumen; ihr holt euch den Tod, wenn ihr das Obs esst."
Und dann sitzen wir auf einem grossen Teppich, der auf dem Rasen ausgebreitet ist, um eine persische, handgemalte Decke, auf der arabisch Sprüche stehen. Wir knien, halten die Hände auf der Brust übereinander und warten auf das feierliche Erscheinen unseres Vater. Unsere Schultern verbergen sich keusch unter Kachmirschals, unsere Füsse stecken in Halbstrümpfen. Gedämpfte Scherze, ersticktes Lachen, vorwurfsvolle Blicke unserer Mutter, die hinter einem übertriebenen Ernst ihre Lust verbergen will, über unsere Schelmereien zu lachen. endlich das feieliche Erscheinen unsees Vaters. Die Dienerinnen verbeugen sich tief, ihre Schleier haben sie bis zur Brust herabgelassen und sie wenden ihm ehrfurchtsvoll den Rücken zu. Wir stehen alle auf...
Ein kurzes Gebet, keine Unterhaltung, eine grosse Gezwungenheit bei den schüchternsten Gebärden. Der Vater nimmt seine Tasse, die durch ihr wichtiges Aussehen unsere kleinen Kindertässchen ganz einschüchtert. Er trinkt langsam Einige Augenblicke von unerträglicher Länge. Endlich - es ist überstanden; mein Vater erhebt sich und geht fort. Welch ein Fest! Die Schals werden abgeworfen, die Strümpfe ausgezogen, die Dienerinnen haben sich umgedreht; die Mutte wird vom Samovar gedrängt, und, einander stossend, giessen wir uns jede den Tee selber ein, trotz der energischen Proteste meiner Mutter und ihr Dienerinnen, die fürchten, das wir uns an dem kochenden Wasser verbrühen. Resultat: einige zerbrochene Teller, die Eider rollen von dem einen Ende des Tisches zum andern, der Honig läuft aus, und die Mutter steht trostlos auf und droht, den Vater zu rufen. Alles wid ruhig - und läuft weg.
Auch das Frühstück ist vorüber. Plötzlich hören wir von der Terrasse die Stimme des Vaters, der unsere Mutter fragt: "Khanum, wo sind die kleinen Rangen? Sie sollen ihre Bücher und Hefte nehmen und af den Tulus gehen und sich auf die Stunde vorbereiten."
Herr Gott, welche Straffe!
Eine halbe Stunde später brechen wir alle vier auf. Das Pack Bücher auf unseren Köpfen flösst den Dienerinnen durch seinen Umfang gewaltige Hochachtung ein; aber trotzdem beklagen sie unser hartes Los, dass wir gezwungen werden, "Bücher zu machen".
 
Eine halbe Stunde später brechen wir alle vier auf. Das Pack Bücher auf unseren Köpfen flöss den Dienerinnen durch seinen Umfang gewaltige Hochachtung ein; aber trotzdem beklagen sie unser hartes Los, dass wir gezwungen werden, "Bücher zu machen".
Und nun sitzen wir auf dem Tutus, dem kleinen Berg, der am Anfang unserer grossen Obstgärten liegt, die sich unübersehbar ausdehnen. Der Aufstieg ist sehr mühsam; die Steine sind heiss geworden in der Sonne und sengen unsere Füsse durch die Pantoffeln.

Unsere Mägde tragen auf Schultern und Köpfen eine Menge kleiner Teppiche, Polster und weicher Kissen, und die alte Nani, unsere Serailshüterin, folgt uns strickend in grosser Entfernung. Sie leidet stärker als wir unter unserer Qual: „Eure Mutter ist eine wirkliche Khanum und kann weder lesen noch schreiben; warum müsst ihr nur über Bücher gebeugt schmachten mit gekrümmtem Magen, nachdem ihr kaum gefrühstückt habt?“
Sie verachtet unsere Bücher, und wir verehren sie deshalb.
Die Teppiche werden unter den Nussbäumen ausgebreitet, wir setzen und auf die Polster und lehnen die Bücher gegen die Kissen. Neben einer jeden von uns steht ein bemalter irdener Krug mit frischem Wasser, um uns jeden Vorwand zu nehmen, Tutus vor Mittag zu verlassen.
Rechnen. Ich hasse es; und da Anahide mit den Zahlen gut Bescheid weiss, macht sie meine Aufgaben für die arithmetische Stunde.
Die kleine Mariam quält sich mit ihrer Handschrift ab, die mein Vater hässlich findet; meine Schrift ist schön, ich verstelle sie etwas – und die Arme ist von ihren mühsamen Anstrengungen erlöst.
Um uns zu zerstreuen, wechseln wir unter dem Vorwande, die Sonne wäre weitergegangen, alle Augenblicke die Plätze; die Mägde kommen von ihrer Näharbeit und legen unsere Teppiche, Polster und Kissen neu zurecht.
Alle finden wir, dass die schwierigste Wissenschaft die – Geographie ist; denn mein Vater hat den Gedanke gehabt, sie uns französisch zu lehren, und von dieser Sprache kennen wir nur gerade das Alphabet.
„Ile, ile – li-li-li,“ übt meine ältere Schwester, „das ist das Land, das vom Wasser umgeben ist. Lac, lac, cla-cla-cla, das ist das Wasser, das vom Land umgeben ist.“
Von Zeit zu Zeit, wenn uns eine Entdeckung ganz besonders packt, rücken wir zusammen, um uns unsere Weisheit mitzuteilen, um sie aber auch vor allen Dingen gleich den Dienerinnen vorzutragen, deren Erstaunen vor unserem Wissen uns aufs angenehmste schmeichelt.
So wissen wir durch Anahide, dass Russland sich jenseits des Kaukasus befindet; d.h., wenn man einmal die höchsten Berge, wie Elbrus und Ararat, erstiegen hat, ist man in Russland.
Einzig unsere Schwester Hegine vertieft sich ehrlich in das Studium der Geschichte Alt-Persiens, von der sie aber nur das behält, was sie interessiert, d.h. die Abenteuer der Daschinn, der Peri und der Huris, ohne den Dynastien oder den Namen der Könige irgendwelche Aufmerksamkeit zu schenken. Ihre Phantasie gestaltet die alten Mythen durch die Verquickung mit dem, was uns die Dienerinnen an den langen Winterabenden darüber erzählen, so märchenhaft aus, dass mein Vater, der die Poesie bewundert und selbst Dichter ist, leichten Herzens das vollständige Fehlen der historischen Könige und Völker verzeiht.
Ich selbst bin mit allem Eifer dabei, nachzuprüfen, ob der Verfasser meines Bruches recht hat, wenn er versichert, es wäre ein Aberglaube, anzunehmen, die Katzen hätten sieben Seelen. – Da ich sie immer geheimnisvoll neben den Dreifüssen der alten Schlangenbeschwörerinnen kauern sah und da ich vor ihnen eine unbeschreibbare Furcht hatte, bin ich fest überzeugt, dass der Verfasser meines Buches sich irrt; wenn die Menschen glauben, dass die Katzen sieben Seelen haben, dann müssen sie sie auch haben!
Endlich wird beschlossen, dass eine der Mägde eine Katze holen und sie vom Wipfel des höchsten Baumes herab werfen soll. Wenn die Katze nach einem Augenblicke des Todes ihre zweite Seele hervorholt, dann bedeutet das, dass sie noch sechs andere hat; wenn sie an dem Fall stirbt, hat der Verfasser recht: es ist ein Aberglaube.
Die Katze ist schnell geholt, die Magd klettert auf den Baum und wirft sie heunter. Ein Augenblick des Schweigens und der Unbeweglichkeit - dann flieht die Katze mit einem furchtbaren Geschrei. Das Volk hat recht, eine Katze hat sieben Seelen. 
Plötzlich klagt meine Schwester Hegine über entsetzliche Zahnschmerzen - sie, die so wundervolle Zähne hat. Nani sieht in ihrem Mund nach.
"Nein, Töchterchen, deine Zähen sind weiss wie der Schnee der Berge, ohne einen Flecken."
Die Schmerzen werden schlimmer, Hegine heult wie wahnsinnig. Sie wirft sich ins Gras, reisst an den Zöpfen und Lippen. Die Mutter und das ganze Haus kommen zu Hilfe. Schliesslich lässt man den "Dandansaz" (Zähne-Flicker) holen, denn meine Schwester schreit herzzerreissend.
Der Dandansaz kommt. Er sieht wild und geheimnisvoll aus, seine Augen leuchten vor Stolz, weil ihn die grossen "Khanum", meine Mutter, gerufen hat. Er hat einen grossen Sack mit Werkzeugen bei sich, die noch wilder aussehen als er selbst.
Nach einigen kabbalistischen Worten nähert er sich meiner Schwester, wobei er sie starr ansieht. Keine Wirkung; meine Schwester weint weiter. Er hängt ihr einen Talisman an einer Schnur um den Hals, sie weint genau so weiter. Voller Verlegenheit bittet der Dandansaz mit tausend Entschuldigungen meine Mutter um die Erlaubnis, „seinen Blick eindringen zu lassen in den Mund der Khanum Kutschulu“ (kleine Dame, Herrin).
Er erhält die Erlaubnis, der Mund öffnet sich vor ihm.
Der Dandansaz ist erstaunt: keinerlei Spur eines kranken Zahnes.
"Welcher Zahn tut weh?" fragt er.
"Alle, alle, schreit meine Schwester, alle Zähne tun mir weh."

"Aber nein, Khanum, widerspricht der Dandansaz, sie hat an einem einzigen Zahn Schmerzen, doch der Schmerz strahlt auf alle über. Der kranke Zahn muss in der Wurzel schlecht sein, wie bei den alten Bäumen, weshalb man auch mit den Augen nichts sieht."

"Zeig doch, welcher es ist, mein Kind", bittet meine Mutter und hält die Schwester im Arm.

"Ich weiss nicht – alle, alle – die beiden vordersten."

"Ja, einer von diesen beiden muss es sein", entscheidet der Dandansaz.

Er tastet an ihnen herum und sagt:

"Der ist es, er muss gezogen werden."

Tränen, Schreie, Auseinandersetzungen. Endlich die Entscheidung:

"Zieh ihn!"

Riesige Zangen kommen zum Vorschein, mit denen man Balkennägel ziehen könnte; Hegine fällt in Ohnmacht.

Der heisse Wunsch, sie aus den Händen dieses Mörders zu befreien, macht mich wild vor Zorn; ich schreie, weine, protestiere. Es ist schon zu spät, ein wundervoller Zahn ist aus dem Kiefer gerissen; aber er ist noch nicht ganz heraus; wie eine niedliche Perle hängt der arme Zahn und kann nicht herabfallen. Meine Schwester ist vor Schreck wieder zu sich gekommen; sie stösst die Hände ihres Henkers fort und weigert sich, ihn die „Ausbesserung“ fertig machen zu lassen.
Ich halte ihren Kopf, küsse ihr die Augen und versuche weinend, den Zahn wieder an seinen Platz zu stellen.
Mein Vater kommt. Er ist erregt über das Geschehene und befiehlt meiner Schwester, den ganzen Tag die Zähne aufeinander gepresst zu halten; dar der Nerv noch nicht zerrissen ist, könnte der Zahn noch zu retten sein. Was auch tatsächlich geschah.
Reich belohnt verlässt uns der Dandansaz; er ist immer noch verwirrt, dass er einen so kleinen Zahn nicht mit einem Ruck hat ziehen können.
Mein Vater ist unzufrieden; er sagt zur Mutter:
"Anstatt dein Kind entstellen zu lassen, solltest du ihm lieber verbieten, bei Tagesanbruch im Wasserfall zu baden und sich zu erkälten."
 Er geht wieder fort.
"Sind die Schmerzen vorbei, Töchterchen?" fragt Nani zärtlich.
Hegine nickt.
"Und ich beschwöre euch, Khanum", sagt sie zu meiner Mutter, "lasst den Kiefer des armen Kindes nicht zerbrechen.
Dies Unglück ohne einen sichtbaren Grund kommt nur vom bösen Blick her!"
Meine Mutter glaubt das jetzt gern. Wir gehen ins Haus hinunter. Meine Schwester wird wie das Opfer heimlicher Missgunst behandelt. Den ganzen Tag über bis zum Abend kommen die Frauen des Dorfes und fragen, wie es ihr geht, und alle bringen ihr Heilmittel und gute Ratschläge mit.
Am Abend ist Hegines Brust mit mehreren magischen Halsketten geschmückt, die ihr die Bäuerinnen mit Erlaubnis meiner Mutter geben durften. Ihre Füsse tragen mehrere geheimnisvolle Schnüre. Sie sitzt auf angewärmten Steinen, und vor ihr werden auf der roten Glut eines Kohlenbeckens Schwalbenschmutz und Schwanzhaare eines röten Pferdes als Mittel gegen böse Geister verbrannt.
Nach der Landessitte müssen unsere nächsten Nachbarn in schweren Krankheitsfällen, bei Hochzeiten und Todesfällen nachts mit uns wachen. Deshalb kam eine der Nachbarinnen und brachte uns ein Ei von seltsamer Form mit; sie versicherte uns, es wäre ein Hahnenei und es bewahre den, der den Mut hätte, es mit der Schale hinunterzuschlucken, vor Krankheiten.
Die Nacht vergeht; um das Lager meiner Schwester kauert eine Gesellschaft von Dienerinnen und Nachbarinnen. Man erzählt tausend Geschichten über den bösen Blick Missgünstiger und Neidischer, bei denen durch Böswilligkeit oder Falschheit die bösen Geister in Form von Krankheiten in den Mund oder in den Kopf eindringen, damit die schönen Zähne ausgerissen und den Mädchen die langen Zöpfe abgeschnitten werden; die Schönheit wird so zur Quell zahlreichen Unheils, weil sie die bösen Wünsche auf sich zieht. So nahm man auf dem Lande auch an, dass durch den böswilligen Neid irgendeines Menschen, der auf den Wohlstand meiner Eltern eifersüchtig war, meine kleine Schwester Katarina an einer verborgenen Krankheit dahinsiechte, trotzdem wir doch in äusserst glücklichen Verhältnissen lebten. Die Krankheit bleichte ihre Wangen, machte ihre Hände weiss wie Wachs und stach sie wie ein Dolch, bald im Herzen, bald im Leib.
 
IN SHAMAKHA  
Wie die Augen von Ungeheuern starren schwarze Löcher in der Felsenwand auf uns und erzählen uns schauerliche Geschichten von den Gefängnissen des Mittelalters, die tief in die Felsen gegraben waren. Hier und dort sehen wir die Spuren verschwundener Schlösser; Türme und zerfressene Mauern. Und alles ist überwuchert von Gärten, in denen der Gesang der Pappeln durch die wehmütige Erinnerung an versunkene Zeiten töntWelche Sagen sich an die Stadt des Königs Danduk und der „Königin Shamkhane“ knüpfen!  Da die Huris als Tänzerinnen verkörpert vom Paradies herniederstiegen, um den Khans des Landes ihre Liebe darzubringen. 
Diese Tänzerinnen – zierliche Göttinnen, in deren verschleierten Augen doch manchmal alle menschlichen Leidenschaften aufflammten, die dann vor Angst zitterten oder vor Zorn bebten, die zärtlich und rasend sein konnten, erfüllten mich seit meiner frühesten Kindheit mit Unruhe und mit einer unbestimmten Furcht. In ganz  Kleinasien waren die kleinen Tänzerinnen berühmt, sie zogen von Stadt zu Stadt, und das Klirren ihres silbernen Schmuckes weckte die schlummernden Herzen der Menschen. Ich bemühte mich schüchtern, die Bewegungen ihrer ätherischen Körper nachzumachen, aber damals ahnte ich nicht, dass auch ich eines Tages hinausgehen und durch die Welt irren würde wie eine jener Tänzerinnen von Shamakha.Unser Haus liegt auf einem kleinen Hügel und blickt auf den Kez-Galassi, den Berg der Jungfrau, hinüber. Auf diesem Felsen lebte einmal als Gefangene eine schöne armenische Jungfrau, deren sündige Liebe zu einem Muselman von den Eltern entdeckt worden war.Klatsch hatte genügt, die empfindliche Ehre des jungen Mädchens zu beflecken. Um sie nicht steinigen zu lassen, hatten sich die Eltern entschlossen, sie selbst zu strafen und so die Schmach und die Vorwürfe von ihrem Namen zu entfernen.Sie hatten sie auf dem Berge ausgesetzt, wo sie vor Hunger und Kälte sterben sollte. Dieser Felsen, die gequälte Jungfrau, ihre verzweifelte Liebe, ihre unerfüllten Wünsche, die kalten Nächte, denen der Wind ihr Haar zerzauste und ihre Schleier zerriss das war die einzige Liebesgeschichte meiner Kindheit.Auch ich würde einen Muselman lieben; um sie zu rächen, würde ich sogar einen Katchagh (Räuber) lieben. Nur einen Feigling würde ich nicht lieben. Meiner würde tapfer sein; um mir goldene Armbänder und Ohrringe zu bringen, würde er tausend Heldentaten vollführen. Sein Name würde berühmt werden; die jungen Mädchen würden von ihm träumen, die Tapferen würden bei seinem Nahen erbleichen. In einem furchtbaren Orkan erzittern alle Türen des Hauses.Mein erster Gedanke ist die Jungfrau vom Kez-Galassi. „Du Ärmste! Was hast du in solchen Nächten allein auf dem Felsen gemacht? Der Schmerz muss dich erstickt haben.Dein falscher Geliebter war nicht bei dir, geweint und geschluchzt hast du über die Ungerechtigkeit, während deine Mutter und deine Schwester auf weichen Federkissen schliefen. Warum war ich damals nicht bei dir; ich wäre dir Schwester und Freundin gewesen, und hätte man uns trennen wollen, wir hätten uns in denselben Abgrund gestürzt.“Die Stimme meiner Mutter ruft mich ins Leben zurück.Ich soll hin zu dem Kohlenbecken. Mein Vater liest aus der Bibel vor. Meine Gedanken verweilen bei Maria von Magdala. Und von neuem entzündet sich mein Wunsch nach Liebe am Wunderbaren. O – ja, wie sie eine schöne Sünderin sein, einen Muselman lieben, „einen Tatarenkhan, einen Scheik-ul-Islam, einen Sohn Arabiens“. Gewölbe voller Parfums haben, Gärten mit Paradiesvögeln und Pfauen, Baldachine, die in fernen Ländern von Frauen mit Schlitzaugen gestickt wurden. Wie sie verflicht sein, verleumdet, beschimpft von denen, die das Schöne hassen, eines Tages öffentlich gesteinigt werden und Christus sehen, den göttlichen Christus, der mich verteidigt, der allein imstande ist, den Schönen ihren Luxus zu verzeihen. Auch ich würde alles verlassen, um diesem Einzigen zu folgen, der mich verstanden, der mich Sünderin geliebt hätte!„Vater warum hat Christus sie denn aber nicht geheiratet?“Mein Vater hält inne, er ist verdutzt.„Du redest dummes Zeug, mein Kind“, antwortet er ernst und liest weiter. Dummes Zeug!Ich bin gekränkt. Hat er uns nicht vorgelesen, dass Maria seinetwegen ihre Gärten und ihr Haus in Magdala verlassen und dass sie mit ihrem schönen Haar seine Füsse getrocknet, nachdem sie sie mit Wohlgerüchen benetzt hatte?Sie liebte ihn also! Wie hätte Christus, der sie schon liebte, dem Wunsch, sie an seine Brust zu pressen, wiederstehen können, wenn sie in einer schlaflosen Nacht gekommen wäre und leicht ihren Kopf an seine Schulter gelehnt und ihn mit ihren Haaren umhüllt hatte? Sie hatte nicht den Mut besessen, es zu wagen. Mich aber hätte nichts zurückgehalten!Mein Vater schliesst das Buch, und er sagt, dass die biblischen Zeiten vorüber sind, dass die Menschheit ihre Grösse verloren hat, dass man es jetzt nicht mehr fertig bekommt, sich für sein Ideal kreuzigen zu lassen, dass man nur an sein Wohlbefinden denkt. Er beschreibt uns den feurigen Glauben der ersten Christen zur Zeit des Tiberius und Nero, spricht von den Festen im Zirkus zu Rom, von schönen Christinnen, die den Panthern vorgeworfen wurden, von den Blutbädern in den Katakomben. „Ein Heldentum, dessen wir nicht mehr fähig, sind.“„Das ist nicht wahr, Vater; ich habe nur den einen Wunsch, für irgendetwas zu sterben. Wo verfolgt man jetzt die Christen?“„Nirgends, mein Kind: Christus wird von unserer Zeit nicht mehr beachtet.“„Auch in Rom?“„Auch in Rom!“„Dann werde ich ja niemals das Glück haben, in einer himmlischen Ekstase vor Tausenden von Römern zu sterben!“„Man verfolgt sie heute nur noch in der Türkei, sagt meine Mutter leise. Deine Grossmutter, dein Grossvater, deine Onkel und Tanten sind alle am selben Tage niedergemetzelt worden. Deine Tanten wurden vergewaltigt und an Ferrachen verkauft.“„Aber das alles nur, um uns zu plündern. Unser Christentum war ganz nebensächlich bei diesen Metzeleien, setzt mein Vater mit einem plötzlich auftretenden Hass fort.Wenn Armenien nicht die reichste Provinz der Türkei wäre, hätten diese Räuber nicht die Idee gehabt, uns reich werden zu lassen und danach auszurauben und niederzumachen. „Nein! Nein! Von Ferrachen vergewaltigt werden, nicht in der Arena eines Zirkus, unter den heissen Blicken junger Krieger, die nur danach fiebern, mich zu retten - - - so sterben! Nein, nein! Weder für Christus noch für Gott selbst!“Das sind unsere Abende. Die Tage sind noch eintöniger.Den Vormittag verbringe ich ausgestreckt auf einem Teppich. Unbeweglich, mit geschlossenen Augen reise ich träumend in meine Lieblingsländer, während der einförmige Sang der Frösche aus dem See Hadji-Layalagh mich einschläfert. Von Zeit zu Zeit öffne ich die Augen um nachzuschauen, ob nicht eine Tarantel an mir hochgekrochen ist, oder ob sich nicht eine Schlange an einem Zweige über meinem Kopfe schaukelt. Der Muezzin singt die Mittagsstunde. Ich stehe auf. Die Nachmittage sind lang.Ich irre planlos im Hause umher. Ich treffe meinen Bruder Alikh, der ausgestreckt auf Kissen liegt, die Sonne glänzt auf seiner bleichen Stirn und auf seinen schweren, schwarzen Locken. Ich stehe still. „Wie schön er ist!“Er ruft mich, ich soll mich neben ihm hinlegen. Ich zögere, aber dann strecke ich mich schüchtern aus.„Wie schön du in deinen weissen Schleiern aussiehst“, sagt er zu mir. „Ich würde dich heiraten, wenn ich nicht dein Bruder wäre.“Ich erröte.„Ich bedauere es wie du, dass du mein Bruder bist; ich hätte gern einen Mann gehabt, der so schön ist wie du, Alikh.“„Vielleicht wird er noch schöner sein“, sagt er voll Eifersucht, „und du wirst irgendeinen unbekannten Esel mehr lieben als deinen Bruder.“Ich versuche umsonst zu protestieren. „Was wirst du in der ersten Nacht zu ihm sagen? Wie wirst du ihn umarmen?“ fragt er mich, während er sich etwas aufrichtet und einen Arm um meine Brust legt. Mein Herz schlägt stürmisch.„Ich weiss es nicht, Alikh. Nichts werde ich sagen. So werde ich seinen Kopf nehmen, ich werde ihn gegen mich pressen und werde vor Glück weinen.“Ich fühle Tränen in meinen Augen, zärtlich umarme ich meinen Bruder, um meine Erregung zu verbergen.„Du weisst: wenn wir in der Religion unserer Vorfahren, der Religion Zoroasters geblieben wären, hätte ich dich heiraten können“, sagt er zu mir.„Aber da wir es nun nicht sind, Alikh, wird man mich irgendeinem geben, vielleicht einem Mann, der alt und hässlich ist – aber niemals dir.“„Wollen wir uns lieben wie Verlobte. Darin liegt keine Sünde. Komm, deinen Kopf gegen meine Schulter, schliess die Augen; und nicht mehr reden.“Ich schliesse die Augen; ganze Stunden hindurch bleibe ich in einer weichen, unbestimmbaren Erregung.Die ganze Familie weiss, dass wir für einander schwärmen. Man weiss, dass ich ihn stets umarme, wenn er im Bett liegt, und dass er ohne diesen Kuss niemals einschläft.Ich selbst schlafe erst ein, wenn die letzten Sterne aufgehen; ich denke daran, dass der Tag nahe ist, an dem eine junge Fremde sich neben ihm ausstrecken wird. eine tiefe Traurigkeit durchdringt mich.Um meine Qual zu erleichtern, verspricht er mir, sich erst nach mir zu verheiraten, obwohl er zwanzig Jahre alt ist und ich noch ein Kind bin…Mein Bruder geht wieder zu seinen Kameraden unter den Olivenbäumen dem grossen Platz, wo sie die jungen Armenierinnen betrachten, die zur Quelle gehen. Sie sind verschleiert und verfolgen rasch ihren Weg. Ihre weiten Ärmel sind zurückgefallen und entblössen vor den begehrenden Blicken bronzene Arme, die die Krüge halten.Auf dem Wege erscheint das plumpe Bild eines Geistes, der eine dicke Pelzmütze auf dem zitternden Kopf und einen Mantel aus Schaffell um die gebeugten Schultern trägt.Vielleicht ist es unser Hausgeist oder ein ehemaliger Magier?Die jungen Leute erheben sich und grüssen ernst das Alter, wobei sie die Hände über den Gürtle legen. Ich aber gehe in die Bibliothek meines Vaters. Ich fühle das Bedürfnis, mich in die Liebe der Menschen zu versenken. Die vor mir gelebt haben.Die vier Reihen gebundener Bücher stossen mich durch die Kälte ihrer ernsten Symmetrie ab. Ich gehe zu den grossen Truhen aus ziseliertem Silber, die als Schmuck in den Ecken stehen und die kleinen Sarkophagen ähneln. Ich öffne einen; in ihnen liegen alte geschriebene Manuskripte in allen Sprachen des Orients.Ob das Bekenntnisse dichtender Derwische, oder verschwundener Troubadoure, oder die erhabenen Gedanken von Propheten sind?  
Ein Gefühl der Bewunderung und des Bedauerns steigt in mir auf; Bewunderung für meinen Vater, der das alles lesen kann, und Bedauern, dass ich es nicht kann.

Warum kann ich nicht in die Geheimnisse dieser geschriebenen Berichte aus vergangenen Jahrhunderten eindringen, dieser Blätter, die von dahingegangenen Magiern beschrieben wurden, deren Name allein die Menschen ihrer Zeit in die Knie zwang, deren Ratschläge die Handlungen der Könige lenkten?
Ich öffne eine andere Truhe, die voll von armenischen Büchern ist. Es sind Romane unseres grossen Raffi. Ich kenne sie; die Heldinnen dieser Romane ähneln mir derart, dass es mir scheint, ich würde darin beschrieben.
Ich lese, bis es dunkel wird; bald lächle ich, bald weine ich vor Rührung, und wenn ich das Buch schliesse, tun mir die leid, die nichts von dem Glück wissen, das uns Dichter schenken.
In dieser Bibliothek habe ich eines Tages den ersten Brief an meinen unbekannten Geliebten geschrieben. Ich habe ihn aufgehoben, das Papier ist durch die Zeit abgenutzt, die Tinte verblasst – nur das Gefühl ist unversehrt geblieben.
„Ich kenne dich nicht. Aber di wirst schön und zärtlich und bleich vor Sehnsucht sein, und unter dem Blick meiner Augen wirst du zusammenzucken und wie gebannt stehen. Ich liebe dich. Ich warte auf dich. Du bist da in dieser Welt. Aber wo, in welchem Teil des Universum?
Vielleicht ganz nahe, in einem der Nachbarhäuser. Dein Name? Wie heisst du? Ich liebe dich! Ich liebe dich!“
Unser anscheinend so glückliches Leben hat auch seine Schatten. Einer meiner fünf Brüder, der wahre verlorene Sohn der Bibel, macht uns viel Kummer.
Es ist fast immer fort, aber die ganze Provinz spricht von seinem auffallenden Leben als Djigit (Heldenjüngling).
In der Familie vermeidet man, seinen Namen auszusprechen, so unangenehm ist es uns, von seinen extravaganten Abenteuern zu hören, die oft jede Vorstellung übersteigen.
Trotzdem hegen wir alle eine seltsame Liebe für ihn wegen seiner freien Edelmannsnatur und seiner stolzen Haltung, die an die Bilder antiker Bas-Reliefs erinnert.
Er ist der Erwählte von uns, dem unser Vater von Geburt an eine europäische Erziehung zuteilwerden liess, und zwar gemäss Jean Jacques Rousseau, den er neben Buddha stellte.
Denn da er seiner Kultur müde und unfähig war, die kleinen Freuden des Lebens zu geniessen, begriff er völlig Rousseau Widerwillen vor der Zivilisation, die die schöne menschliche Natur verdirbt.  Er war mit ihm der Ansicht, dass man zu dem primitiven Zustand zurückkehren und die Instinkte sich frei entwickeln lassen müsse; denn: gibt es etwas Reineres und Unschuldigeres als die nackten Instinkte, die der Gedanke noch nicht entstellt hat?
Ich glaube, dieser geniale Rousseau versichert, falls jemand schlechte Triebe besässe, würde er durch die Folgen seiner Handlungen sofort bestraft werden.
Und da nach ihm die natürlichste Umgebung für den idealen Menschen die Tiere sind, wurde mein Bruder mit solchen umgeben. Um ihn durch unsere zu asiatische Erziehung nicht zu beeinflussen, hielt ihn mein Vater abseits in einem isolierten Pavillon.
Ergebnis: mit siebzehn Jahren hatte sich dieser feurige und rebellische wirkliche Kaukasier in einen wahren Baschi-Buzuk verwandelt.
Niemals legt er die Waffen ab; wenn er in Zorn gerät, läuft er mit einem Dolch hinter uns her; er peitscht die Dienstboten bei jedem Anlass, und wenn er Hunger hat und unglücklicherweise etwas warten muss, zerreisst er das Tischtuch und zerbricht Porzellan und Silber. Danach nimmt er sein Pferd und reitet in die benachbarten Dörfer.
Mein Vater, der wie alle Orientalen von Natur aus sehr sanft und beherrscht ist, straft ihn niemals, da er einsieht, dass alles das logisches Resultat seiner Erziehung nach Rousseau ist.
Wir sehen ihn betrübt und erregt in das Zimmer unserer Mutter gehen, wo er ihr erklärt, dass alle Europäer Banditen sind mit ihrem genialen Rousseau an der Spitze.
Worauf meine Mutter, die nichts vom Tode des armen Rousseau weiss, unter Tränen antwortet: „Möge sich die Sonne dieses Rousseau verdunkeln, möge ihn der Leichenwäscher holen, und nicht ein Grashalm soll auf seinem Grabe wachsen!“
Es ist Sonntag, Tag der erzwungenen Ruhe. Grenzenlose Langeweile lastet auf uns.
In Aussicht stehen uns die pflichtgemässen Besuche bei unsern alten Tanten, die unser Vater „die Heiligen“ nennt, wir aber „die Pyramiden“. Und das nach einer Messe von zwei Stunden, die wir mit gefalteten Händen stehen mussten, im Gesicht eine Frömmigkeit, die nur schlecht die übermenschlichen Anstrengungen verbirgt, das Gähnen zu unterdrücken.
Diese zwei Stunden haben mir zum erstenmal eine Ahnung der Ewigkeit beigebracht; vergebens sagten wir uns die Erzählungen auf, die wir auswendig kannten, vergebens zählten wir bis tausend; die eintönigen und klagenden Stimmen der Sänger schienen eine Ausdauer zu besitzen, die uns zur Verzweiflung brachte.
Unsere einzige Zerstreuung in diesen monotonen Stunden waren die niedlichen kleinen Fliegen, die summend gegen die Scheiben stiessen, und die Kunstgriffe der hinterlistigen Spinnen.
Und wenn es uns gelang, diese Fliegen vor den Spinnen zu retten – wie gross und rein dann unsere Freude war, denn offenbar übten die Messen ihre christliche Wirkung auf uns aus. ..
Mit welcher Liebe bewunderte ich das klare und heitere Aussehen meines Vaters nach diesen Messen, deren Weihe er noch lange in seinem ganzen Wesen bewahrte.
Du lieber Vater! Er versicherte uns, dass auch wir viel gehobener aussähen als gewöhnlich – wobei er aber die Enttäuschung in unseren Gesichtern mit seiner Abgeklärtheit verwechselte.
Gerade während einer solchen Messe trat eine ungewöhnliche Ablenkung ein.
Es war am Fest der Auferstehung. In der Kirche war kein Platz mehr, und wir standen an der Tür und hörten von fern dem Chor das „Gloriam“ singen, als es plötzlich donnerte.
Froh über die Aussicht, früher nach Haus zu kommen, hoben wir die Augen nach den Wolken… Nicht ein Fleckchen war am Himmel.
Wir waren verwundert und senkten von neuem fromm den Kopf, als ein seltsamer Donner unter unseren Füssen erscholl, lang und drohend, wie das Gebrüll wilder Tiere, die in unterirdischen Käfigen eingeschlossen waren.
Bestürzt sahen wir uns fragend an, als wir bei einem dritten Schlag, den eine Erschütterung der Erde begleitete, all erbleichten.
Es war die Ankündigung eines jener furchtbaren Erdbeben, die zu verschiedenen Malen Shamakha in Trümmer gelegt hatten, denn die Stadt war auf vulkanischen Hügeln erbaut, die fruchtbar und heiter unter einer glücklichen Sonne lagen.
Als mein Vater sich klar war, was kommen würde, befahl er uns mit zitternder Stimme, von den Mauern fortzugehen.
Kaum waren wir in der Mitte des Platzes, als ein entsetzlicher Stoss uns zusammen entwurzelten Bäumen, die wie Sterbende zitterten, auf die Erde warf.
Instinktiv wandte ich die Augen zur Kirche, und ein Bild des Schreckens zerriss mein Gehirn.
Die Balken der Basilika senkten sich wie ein schweres Tuch langsam auf die kniende Menge, die der erregte Priester aufforderte, um ein Wunder zu beten. Und ein ungeheurer Seufzer drang dumpf und schrecklich durch die geöffneten Tore zu uns.
Bald waren von der Menge und der Kirche nur die Ruinen einiger Säulen zurückgeblieben.
Überall erstickte das Getöse der einstürzenden Mauern das Geheul der Tiere und die Schreie der Menschen, bis die unterirdischen Zuckungen der Erde, die sich wie in epileptischen Krämpfen wandte, alles mit einem Chaos bedeckt hatten. Hin und wieder sah man durch den Staub das gleisnerische Lächeln der Sonne – aber nach einer Pause von Augenblicken begann die Erde wieder ihren danse macabre.
„Betet, “ sagte unsere Mutter und schüttelte unsere Hände, „betet; das ist der Tag des Jüngsten Gerichts!“
Und sie warf sich nieder und murmelte Gebete.
Meine Lippen waren wie gelähmt, konnten nicht beten, blieben unbeweglich. Nur meine Augen folgten den schwankenden Erscheinungen nackter Frauen, die aufgelöst aus den Bädern kamen. Zwei von ihnen kamen auf uns zu, hielten sich an den Händen, als sich plötzlich die Erde unter ihren Füssen auftat und sie gleich einem Ungeheuer verschlang. Ich verlor das Bewusstsein.
Kaum ein paar Stunden waren vergangen. Die Luft war vom Staub befreit, und der Himmel hatte wieder seine azurne Farbe. Ein leichter Wind bewegte die Blätter einiger Bäume, deren Äste geknickt waren, die stets unberührte Sonne verschwand in der Ferne, und die Stadt in Ruinen erzitterte von Zeit zu Zeit bei den letzten Erschütterungen der Erde, deren Wut nun gestillt war.
Kein Shamakha, keine prachtvollen Gärten, keine Häuser mehr mitten im goldig leuchtenden Wein, nichts mehr von den Palästen der Khans. Alles ist vernichtet.
Auf den verlassenen Strassen betrachten uns einige Kamele mit erstaunten Augen wie ihre Freunde. Wir streichelten die armen Tiere, unsere Brüder im Unglück. Bald werden sie uns weit hinweg von diesen Stätten führen – hin zu den hellen und unfruchtbaren Küsten des Kaspischen Meeres, einem neuen Leben entgegen. 

Wikipedia-Nizami Str.Baku
IN BAKU
Der Sommer geht zu Ende. Wir wohnen auf dem Kap Apcheron in tatarischen Gärten – grossen sandreichen Flächen, die von Mauern umgeben sind. Hier sieht man nur wenige kümmerliche Feigenbäume mit verstaubten Blättern, alte Brunnen, deren Eimer in der Luft hängen, und die Spitzen von Weinsträuchern, die hier und dort aus dem Sand hervorragen.
Da die Sonne zu stark brennt, gräbt man den Wein in die Erde ein, und wenn man eine Traube pflücken will, muss man sie erst aus einem halben Meter Tiefe ausgraben.
Im Hintergrund dieser Gärten stehen geräumige Häuser mit Balustraden, die durch Strohmatten gegen die Sonne geschützt sind.
An den Mauern lehnen Leitern, auf denen wir auf die Dächer steigen, wo wir nachts schlafen.
Das ruhige, leuchtende Kaspische Meer spiegelt einen gelben Himmel wieder. Gelb sind die Häuser, gelb die Bäume; einzig die mit Salz bedeckten Ufer des Meeres verschwinden wie Wolken in der Ferne.
Von seinen verschwommenen Umrissen steigt ein Gefühl der Schwermut auf; bei der Trostlosigkeit dieses Anblicks muss ich an Oasen denken.
Ich denke an einen Morgen zurück, der klar und leuchtend war wie die Weintrauben, die meine Mutter mir gegeben. Und es scheint mir, als wäre auch meine Seele weiss und leicht gewesen wie dieser Morgen.
„Küss mich, Mutter“, sagte ich zu ihr und war berauscht von der Sonne, die sich wie die goldenen Flügel eines Engels im Wasser spiegelte. Ich bin so glücklich! Aber warum darf ich nicht ewig leben, und warum kann ich nicht die ganze Welt in ein einziges Wesen zusammenfassen, das ich gegen die Brust pressen könnte!
„Kindchen!“ sagte sie und schloss mich zärtlich in ihre Arme.
Sein einigen Tagen bemerkten wir, dass unsere Eltern heimlich miteinander sprechen. Deshalb waren wir auch gar nicht erstaunt, als und die Mutter zu einem wichtigen Familienrat rief.
In kurzen Worten erklärte uns der Vater, dass wir nach dem Willen Gottes unser Leben von Grund auf ändern müssten; wir würden uns bald in unserem europäischen Haus in Baku einrichten. Und da wir genötigt waren, in dieser russisch gewordenen Tatarenstadt zu leben, müssten wir unser asiatisches Äusseren aufgeben, und um unserer Zukunft willen wir die russischen Schulen besuchen und die Examina bestehen.
Bald verlassen wir tatsächlich unsere tatarischen Gärten, legen unsere weiten und langen bunten Gewänder ab und reisen nach Baku.
Der erste Eindruck dieser Stadt ist niederschmetternd; mir scheint es, als seien wir in der Hölle.
Mit Petroleum getränkter Erdboden, Teiche mit schwärzlichem Wasser, riesige mit Teer gestrichene Gebäude, halbnackte Arbeiter mit rauchgeschwärten Gesichtern an ungeheuren Öfen, der furchtbare Lärm der Dampfhämmer, das grelle Pfeifen der Sirenen – alles das macht die Stadt zu einem Reich für Galeerensklaven.
Daneben das alte Baku, die malerische Zitadelle aus dem elften Jahrhundert mit den Gefängnissen, die unter dem Palaste des Khans lagen.
Gekrönt wird die Festung von dem hübschen „Turm der Jungfrau“. Von ihm hat sich eine junge christliche Gefangene ins Meer gestürzt, um sich den Umarmungen eines alten Tatarenkhans zu entziehen.
Und dann noch ein grosses, schweres, imposantes Haus das unsere.
In kurzer Zeit hat sich unser Leben vollkommen geändert.
Morgens verlassen wir das Haus und gehen in die Schule.
In der grauen Uniform mit langen geflochtenen Zöpfen auf dem Rücken kommen wir uns unter den vielen Russen mit kurzen blonden Haaren ganz verloren vor.
Unsere schweren, glänzenden, schwarzen Zöpfe sind das erste Ziel ihrer Witze; sie ziehen an ihnen und nennen uns „arabische Pferdeschwänze“, was für uns eine tödliche Kränkung ist.
Auch die ernste Ruhe in unseren kleinen Gesichtern mit dem glanzlosen Teint und der Ausdruck des Schmerzes in unsern grossen dunklen Augen fallen ihnen auf, und die Liebenswürdigsten unter ihnen nennen uns „ägyptische Mumien“.
Wir unterdrückten nur mit Mühe unseren Zorn. Wir machen uns unsererseits über ihr rundliches, behäbiges Aussehen und über ihr rosiges, weiches Fleisch lustig, das uns ebenso missfällt wie ihnen unsere matt leuchtende Haut.
Aber wir wurden für jedes armenische Wort, das über unsere Lippen kam, bestraft, denn es war verboten, unsere Sprache zu sprechen.
Da uns das Frühstück fehlt, halten wir uns abends, wenn wir nach Hause gehen, kaum noch aufrecht.
Die Zärtlichkeit unserer Mutter tröstet uns etwas, auch die Verwünschungen und Drohungen unserer Brüder gegen unsere Beleidiger richten uns auf, doch der Vater sagt:
„In solchen Fall handelt wie die alten Griechen, die von den Römern gequält wurden: würdigt sie keiner Antwort.“
Wir nehmen den Rat an, aber unsern Brüdern ist er nicht recht: da sie kühner und jähzorniger sind als wir, prügeln sie jedes Mal ihre russischen Schulkamerden, wenn diese sie „Gesalzene“ nennen, wodurch unsere alte Tradition, die Neugeborenen in Salzwasser zu tauchen, lächerlich gemacht werden soll.
Und wenn ihre Lehrer die Schimpfer in Schutz nehmen, dann erheben unsere Brüder entschlossen Widerspruch, was eines schönen Tages einem, dem Schüler Jean-Jaques Rousseau´s Zeugnis, das die russischen Gymnasien den Rebellen ausstellten, um ihnen die Teilnahme am öffentlichen Unterricht unmöglich zu machen.
Der Kaukasus unterstand damals dem Fürsten Galitzin, den wir den „Erzengel“ nannten, so viele Seligkeiten und Wonnen versprach er uns. Er überschwemmte uns mit Manifesten, die reichlich mit den Wörtern „Zar“ und „Gott“ durchsetzt waren; mit ihrer Hilfe hoffte er, uns in vollkommen Zivilisierte zu verwandeln.
Diese Manifeste zielten in Wirklichkeit auf kleinere oder grössere Pogrome ab, je nach der guten oder schlechten Laune des Erzengels.
Kein Wunder, dass diese eifrigen Diener des Zaren, die ihre Macht auf diese Art an der Bevölkerung eroberter Gebiete und selbst an ihren eigenen unglücklichen Muschiks ausliessen, unmerklich den endgültigen Sturz ihres Monarchen herbeiführten.
Finnland, Polen und der Kaukasus, die ein zu lange genährter Hass verband, warteten nur auf ein Signal, sich zu erheben. Der Russisch-Japanische Krieg, kam unvermutet hinzu, um die Leidenschaften noch zu steigern. Der für die Russen ungünstige Verlauf der Kriegsereignisse betörte die Rebellen. Man jubelte bei jedem japanischen Erfolg, und in der Zeitung las man mit kaum verborgener Freude die Nachrichten über die Niederlagen.
Niemand zweifelte daran, dass der Ausgang des Krieges eine Katastrophe für Russland sein würde. Die Regierung konnte sich kaum noch halten; Kosaken überschwemmten unser Land. Ihre immer bereiten Peitschen pfiffen mit bemerkenswerter Ausdauer über unseren Köpfen. Aus Furcht vor Verschwörungen wurde den Studenten verboten, sich u Gruppen von zweien oder dreien zu vereinigen.
Eine Peitsche brachte ihnen sofort einsame Spaziergänge bei. Die Wachsamkeit der Kosaken schlug oft ins Komische über: Man war unsern Hochzeiten, Verlobungsfeiern und Taufen gegenüber misstrauisch – denn sie konnten uns doch als Vorwand zu revolutionären Versammlungen dienen!
Die naive Fröhlichkeit dieser Feste schwand oft beim Besuch von Gendarmen. Doch die Zauberkraft des Wudki verringerte bald ihre Feindseligkeit, und unsere unterbrochenen Feste nahmen unter ihrer Aufsicht wieder ihren üblichen Verlauf.
Wir gewöhnten uns übrigens an diese nächtlichen Besuche, bei denen die verborgensten Winkel unserer Häuser durchkramt wurden bis auf die schmutzige Wäsche und die Küchengeräte, ja sogar unsre Taschen und die Haarfrisuren der Frauen wurden untersucht – letztere, um darin – Bomben zu finden!
So fand man eines Tages bei einem reichen und eleganten Lebemann des Landes zwei Bomben. Er wurde verhaftet und unter Bewachung von Gendarmen mit gezogenem Säbel in die Festung geführt, um am andern Tage auf Befehl des Kriegsgerichts erschossen zu werden. Doch die Überraschung des Gerichts war gross, als er erklärte, dass die Bomben weiter nichts als die Kugeln eines englischen Masseurs wären, der sein friedliches Handwerk auf dem etwas zu runden Bauch des harmlosen Lebemanns ausübte, der ängstlich auf die Eleganz seiner Formen hielt. Zum Glück für den Angeklagten war das Gericht über medizinische und kriegerische Waffen besser unterrichtet als die Gendarmen.
Es ist wohl überflüssig, zu versichern, dass uns die Aussicht auf das Gefängnis nicht verlockte und dass wir alle Vorsicht anwandten, um nicht als Revolutionäre zu gelten.
So hatten wir aus unserm Wörterbuch die Worte „Freiheit“, „Aufruhr“ und „Volk“ ein für allemal gestrichen.
Fand man diese Worte zufällig selbst in der unschuldigsten Korrespondenz, dann kosteten sie sowohl den Schreiber als den Empfänger Monate Gefängnis.
Indessen nahm die Politik des Fürsten Galitzin ihren Fortgang. Bald wurde der Befehl zur Beschlagnahme unserer Kirchengüter bekanntgegeben. Die Kosaken begannen sofort mit seiner Ausführung. Zu Pferde drangen sie in das Innere unserer friedlichen Kapellen und entrissen den Priestern die Kleinodien und Reliquien, die diese sich weigerten, ihnen zu geben.
Die gesamte Bevölkerung, selbst Mohammedaner und Heiden, empörte sich bei dieser Tat: wird doch die Priesterschaft irgendwelcher Religion von allen Völkern Asiens verehrt.
Dieser Widerstand reizt die Kosaken, und sie verschärften ihr Vorgehen. Das wiederum hielt die Bergarbeiter nicht vom Streik ab, ebensowenig wie die Studenten von Demonstrationen. Überall machte sich die Anarchie bemerkbar.
Alles trieb Politik, ohne davon etwas zu verstehen; sogar die Kinder bis zu meinem kleinen Bruder von acht Jahren wollten nicht zurückbleiben.
Vom Morgen bis zum Abend sahen wir ihn „Kosak spielen“. Er ritt auf dem Spazierstock Vaters, rollte die Augen und blickte finster auf die sozialistische Menge (unsere Strohstühle, die er sich zusammengeholt hatte) und peitschte sie, wobei er nach der Melodie der Marseillaise eine Hymne sang, die er selbst komponiert hatte: „Gott schütze den Zaren… Freiheit, Freiheit, Freiheit und Z a a a r!
Nachdem er die Menge zu Boden geschlagen hatte, hing er sich, ohne einen Augenblick zu verlieren, die Kapuze meines Vaters um und las wie ein russischer Pope mit ernstem Gesicht die Totenmesse, von der er nur zwei Worte kannte: „Gospodi pomiloui…“ (Gott erhöre uns). Mein Vater überraschte ihn bei diesem Spiele, das ihm gar nicht gefiel, weil es ihn zu stark an die Wirklichkeit erinnerte, und er liess ihn sich in die Ecke stellen.
Aber der kleine Anarchist ertrug die Strafe standhaft und fing unbeirrt am andern Tage wieder an, „Kosak zu spielen“.
Alle diese Ereignisse machten meinem Vater Sorgen, und oft sagte er kopfschüttelnd zu uns: „Wir stehen vor grossen Ereignissen.“
Eines Tages bringen unsere Dienerinnen äusserst merkwürdige Nachrichten vom Markt mit: Die Russen kaufen Mehl und Reis auf, um mit Lebensmitteln versorgt zu sein während der Armenier – Metzeleien durch die Tataren.
Die Metzeleien? Wir wollen es nicht glauben, da wir nur in der Türkei derartiges für möglich hielten. Ausserdem hatten sich die Russen besonders auf Pogrome verlegt, mit denen wir uns bereits abgefunden hatten. Denn man gewöhnt sich an alles.
Mein Vater lehnte es dadurch ab, an diese Gerüchte zuglauben, denn er kannte die guten Beziehungen zwischen den Tataren und den Armeniern des Kaukasus.
Aber wie wurden wir alle getäuscht!
Eines Tages waren wir gerade alle in unserem Bad, planschten im Wasser und bespritzten uns gegenseitig, als wir plötzlich Gewehrschüsse hörten; zuerst vereinzelt, fielen sie bald dich wie Hagel. Einige Kugeln zersplitterten unsere Fensterscheiben.
„Die Massakers!“ schrie meine Mutter und erbleichte.
Wir hatten keine Zeit zu verlieren. In einem Augenblick kleideten wir uns an, ohne uns auch nur abzutrocknen. Eine tiefe Entrüstung überwog jedes andere Gefühl. Wie das Vieh werden wir also bald den Dolchen dieser Meuchelmörder erliegen, die eine friedliche Familie überfallen, die ihnen niemals etwas Böses getan hat. Und meine fünf Brüder, die wie jung Heroen sind, werden wie die Hammel abgeschlachtet, ohne sich nur verteidigen zu können, - sie, die so stark, so leidenschaftlich und tapfer sind.
Die christliche Ergebung meines Vaters, den ich kniend beten sah, erfüllte mich mit Zorn.
„Wie kann er beten!“ Da will ich doch lieber im Namen Gottes und Christi einem dieser Verbrecher zeigen, wie scharf meine Zähne sind.
Und ich verzehrte mich vor Ungeduld, meine heldenhaften Pläne auszuführen. Wir verbrachten den Tag in Todesängsten, bis uns schliesslich eine Handvoll tapferer Armenier, die sich als Tataren verkleidet hatten, in der Nacht aus unserm Hause befreiten. Sie führten uns in eine sichere Unterkunft, und dort erfuhren wir, dass der „Erzengel“ die glänzende Idee gehabt hatte, einem allgemeinen Aufstand des Kaukasus dadurch vorzubeugen, dass er eine kleine Serie von Metzeleien zwischen den Christen und Muselmanen veranstaltete, um sie untereinander uneinig zu machen und von den gemeinschaftlichen Zielen abzulenken. Dass sowohl Polizei als Kosaken während der dreitägigen Metzeleien in keiner Strasse zu sehen waren, diente dazu, die Wahrheit dieses genialen Pogroms zu beweisen. Erst am Ende des vierten Tages erschienen die Kosaken auf ihren Pferden, und ihre schussbereiten Bevölkerung her.
Es waren kaum ein paar Wochen vergangen, als Gerüchte von neuen Metzleien durch die Strassen zu eilen begannen. Diesmal gab es keinen, der nicht daran glaubte: jeder bereitete sich zur Verteidigung vor.
Wieder verschwanden Polizei und Kosaken von den Strassen; die vom Wudki sinnlos betrunkenen bewaffneten Barbaren durften sich auf die Armenier Viertel stürzen.
Damals fanden entsetzlich Blutbäder statt, Häuser wurden verbrannt, die Leichname ganzer Familien wurden ins Feuer geworfen. Auch diesmal erschienen die Kosaken erst am Ende des vierten Tages und brachten uns mit dem Revolver in der Faust den Frieden.
Tausende von christlichen und muselmanischen Toten bedeckten die Kirchhöfe, der Gestank der Leichen war betäubend. Trostlose Frauen suchten ihre Kinder und ihre Gatten und wühlten in diesen Bergen verfaulten Fleisches.
Am Abend erfuhren wir, dass in zwei Tagen eine Totenmesse auf dem Grossen Platz stattfinden sollte und dass der Gouverneur von Baku, der Fürst Nakachidze, unsere Toten durch seine Gegenwart ehren würde. Wir waren alle zugegen, als er in grosser Uniform mit Gefolge und Kosakenwache zehn furchtbare Bombenexplosionen die ersten Töne des „Miserere“ zerrissen. Der Gouverneur und sein ganzes Gefolge stürzten zu Boden. Durch das Regiment Kosaken ging eine Bewegung. Und alle diese blonden und kräftigen Reiter mit geröteten Gesichtern stiessen ihren traditionellen gellenden Pfiff aus und galoppierten mit ihren Pferden, deren Nüstern zitterten, wie rasende Dämonen in die Menge hinein.
Nach wenigen Augenblicken war die Menge zerstreut und hatte auf dem Platz eine grosse Anzahl neuer Leichname neben den Särgen der Massakrierten zurückgelassen. Die Gefallenen lagen wie ein schwarzer Teppich auf dem Platz, und die Kosaken liessen ihre Pferde darüber spazieren und lächelten siegreich, hielten die Peitsche in der einen Hand und wischten sich mit der anderen den Schweiss nach ihrer Arbeit von der Stirn.
Am Abend befand sich die ganze Stadt in Aufruhr.
Die bekanntesten Persönlichkeiten unter den Tataren und Armeniern versammelten sich und schwören bei dem Koran und auf die Bibel hingebende Brüderlichkeit für den Kampf gegen die politischen Intrigen des Fürsten Galitzin.
Drei Tage lang lagen sie sich in den Armen – vor den Augen der Kosaken, die durch die Erhebung von 200000 Eingeborenen gegen ihre geringe Anzahl demoralisiert waren, zumal sie auch ihrer Führer beraubt waren.
Bald kam ein neuer Gouverneur, der den bisherigen ersetzen sollte.
Die Aufstände wurden durch einen Generalstreik abgelöst, den die gesamte Bevölkerung unterstützte. Zwei Monate lang wurde in den Minen nicht gearbeitet, die Züge standen still, die Städte hatten weder Wasser noch Licht.
An einem Sonntag erzählten unsere Dienstboden, dass der Zar zur Feier der Beendigung des Krieges gegen die Japaner allen einen Völkern eine Verfassung gewährt hatte – d.h. die Freiheit, zu tun, was sie wollten. „Darum“, sagten sie erschrocken, „stecken die armenischen Quartiere in Brand.“
Sie verabscheuten uns. Denn unter allen Völkern des Kaukasus waren wir die einzigen Asiaten, die erzogen und gebildet waren, und unsere Kultur demütigte sie – sie selbst konnten an Stelle ihres Namens nur ein dickes Kreuz setzen.
Bald sahen wir tatsächlich an allen Ecken Rauch aufsteigen. Innerhalb der Absperrung durch die Kosaken sammelte sich eine  ungeheure Menge Gesindel, das gewohnheitsgemäss das Bild des Zaren und einig Reliquien vor sich hertrug, vor unserem Hause an und sang die Nationalhymne.
Dieses Bild, die Hymne und das Auftauchen der Kosaken, war für uns immer das Vorzeichen von Trauer und Ruin.
Diesmal war es die Ankündigung eines Pogroms. Armer Zar! Er hat diese bezaubernde Art seiner eifrigsten Diener, seinen Namen populär zu machen, teuer bezahlt. In wenigen Augenblicken füllte sich unser Haus mit Pöbel und Tataren.
Die einen plünderten, die anderen legten in allen Ecken Feuer an. Von den Schreien: „Weg mit den Armeniern!“ verfolgt, versuchten wir die Menge zu durchbrechen – aber am Ausgang durchbohrten pfeifende Kugeln unsere Kleider.
Plötzlich schwankte mein Vater und stützte sich schwer auf mich. Ich wollte ihn gegen die Kugeln schützen, und da ich nichts anderes hatte, bedeckte ich ihn mit meinem Mantel.
Wenige Schritte von uns standen die Kosaken neben ihren Pferden; gegen die Sättel gelehnt, rauchten sie ihre Pfeifen und sahen sich das Schauspiel an. Ich hielt einen ihrer Führer an seinem Rock fest und sagte:
„Bruder, in Christi Namen, ich beschwöre dich: rette meinen Vater!“
Er riss sein Pferd mit einer wilden Bewegung herum und schrie mich mit heiserer Stimme an: „Für die Hunde den Tod der Hunde!“
Ich antwortete nichts; Tränen schnürten mir die Kehle zu. Ich hielt weinen den Kopf meines Vaters, der vor Schwäche zu Boden gesunken war.
Armer Vater! Er hatte immer zu uns gesagt: „Beurteilt das gute russische Volk nicht nach den Kosaken. Die richtigen Russen sind grossmütig und hilfsbereit. Aber die Kosaken sind eine halbtatarische Rasse, die aus den Steppen Sibiriens gekommen ist.“
Dann nahmen uns Freunde auf.
Mein Vater hat alle diese Aufregungen und den vollständigen Ruin, der in wenigen Stunden über ihn gekommen war, nicht überleben können. Man verbrannte nicht nur alle unsere Häuser, sondern auch sämtliche Bergwerke mit ihren Anlagen und selbst das Meer, auf dem sich das Öl ausgebreite hatte, brannte wie der Schlund eines Drachen.
So feierten die Kosaken die Verfassung, die der Zar allen Völkern Russlands nach seiner Niederlage von Port Arthur gewährt hatte.
In einem armseligen Zimmer, auf einem zusammengesuchten Lager starb mein Vater; um ihn waren alle seine Kinder.
„Verzeih mir“ sagte er zu meiner Mutter, „so wollte ich dich nicht verlassen.“
Als ich sah, dass meine Mutter nur mit Mühe die Tränen zurückhielt, hob ich meinen Neffen von einem Jahr zu meinem Vater auf und sagte:
„Du muss noch leben, Grosspapa, und mich laufen lehren.“
Er richtete den schon trüben Blick auf das Kindchen und antwortete:
„Grosspapa reist jetzt weit fort.“
Das waren seine letzten Worte; der Todeskampf begann.
Ein beinahe krampfhafter Schlaf, der mich immer in den Momenten grosser Angst packte, überwältigte mich, und ich schlief neben meinen sterbenden Vater ein. Als ich erwachte, hauchte er schon letzten Seufzer aus.
Meine Mutter hatte sich über ihn gebeugt – auch sie bewegte sich nicht.
„Fort, fort, schluchzte sie.
Nach einer langen Pause kniete sie gebrochen neben seinem Bett nieder, stützte den Kopf in die Hand und blieb unbeweglich. Und immer wieder flüsterte sie:
„Ich hab nicht gewusst, dass ich dich so liebte, ich hab´s nicht gewusst.“

Zum ersten Male hörten wir sie da von ihrer Liebe sprechen.
In Persien
Nach all diesen Katastrophen galt es für uns, ohne Zeitverlust über unser Schicksal zu entscheiden. Und einige Tage später befand ich mich am Abend in einer Kirche, die von wenigen Kerzen erhellt war; in Gegenwart meiner älteren Schwester und zweier Personen, die aus Persien gekommen waren und die ich zum erstenmal sah, wurde ich mit einem schönen jungen Manne, dessen Stirn bleich wie Alabaster war, feierlich vermählt.
Die einzigen Zeugen dieser Hochzeit waren ein paar Gassenjungen, die sich in die Kirche geschlichen hatten, und einige Polizeiagenten, die hinter uns hergingen und wegen der späten Stunde ungeduldig wurden; die Stadt befand sich im Belagerungszustand, und wir mussten die Feier schnell beenden, um rechtzeitig den Dampfer nach Persien zu erreichen.

Die Überfahrt ist stürmisch, Wogenberge werden in die Höhe gerissen. Kurz vorm Ziel bilden sich gefährliche Strudel, wo das gelbe Wasser des Flusses auf die Strömung des grünen Meeres stösst. Wir steigen in die Boote, die und an Land bringen sollen.
Die Einwohner des persischen Hafens Enzeli verfolgen besorgt die Bewegungen des tatarischen Seemanns, der unser Boot geschickt vom Gipfel einer Woge zur andern gleiten lässt und dabei laut „Yo Allah!“ ruft.
Sie beglück wünschen uns, dass wir dem Schiffbruch entgangen sind, und zeigen uns die Verwüstungen, die am selben Morgen sind, und zeigen uns die Verwüstungen, die am selben Morgen der Besuch zweier Drachen bei ihnen verursacht hat. („Drachen“ nennen sie die Wassersäulen, die sich im Meer erheben, sich wie Schrauben drehen und am Ufer entlang wandern, bis sie an einem Widerstand zerbrechen.
Wenn sie zusammenstürzen, überschwemmen sie alles und reissen manchmal ganze Dörfer mit fort.)
Nachdem wir uns von der Aufregung etwas erholt haben, steigen wir in kleine Boote, die von Assyrern gezogen werden, um die Strömung zu überwinden.
Am Ziel dieser Fahrt erwarten uns ungefähr hundert Menschen, die mit Freudenschüssen unsere Ankunft feiern.
Als ich aber an Land gehe, zerreisst der erste Anblick mein Herz: das traditionelle Opfer wird gebracht, ein Lamm wird vor meinen Füssen getötet.
Sein klagendes Blöken klingt mir noch im Ohr, da folgt ihm ein allgemeines Gemurmel; das Blut des Lammes will nicht auf mich zufliessen. Ein schlechtes Vorzeichen: das Glück im Leben wird mir entgehen.
Auf dem Fahrweg wartet ein Wagen mit vier Araberpferden, die mit Korallen und blauen Perlen geschmückt sind, auf uns. Ich steige mit meiner neuen Mutter ein.
Bei der Ankunft in Rascht, einer grossen persischen Stadt, blendet mich das bunte Bild: Obstbäume, Kamel, Turbane, nackte Kinder, Derwische – gelbe, grüne, blaue Farben – alles in strahlender Sonne.
Die Gassen werden zu eng für unsere Wagen. Wir steigen aus und gehen zu Fuss; wütendes Hundegebell begleitet uns bis zu den grossen Toren, die sich von den Mauern abheben.
Wenn ich denke, dass diese Wände mich für immer einschliessen werden, zittre ich, und das Gefühl, das ein Sträfling vor dem Gefängnistor haben muss, erfüllt mein Herz.
Wieder zittert verendend ein Lamm vor meinen Füssen wieder strebt Blut von mir fort.
Meine neue Mutter erbleicht und verbirgt nur schwer ihr Entsetzen bei dieser Unglücksprophezeiung für ihren Sohn.
Einige Gebildete unter den Umstehenden wollen sie trösten: „Das ist doch ein Aberglaube aus den Zeiten Abrahams und Isaaks, da liegt doch weit hinter uns.“
Ich betrete das Haus; auf der Schwelle erwartet mich feierlich mein neuer Vater, Assatur-Khan; ernst und majestätisch begrüsst er mich: „Mögest du leicht durch das Haus schreiten, mögen deine Schritte ein Segen für uns sein.“
Ich küsse gerührt seine Hand. Sein stolzes, edles Aussehen macht mir wieder Mut.
Aber es bleibt mir keine Zeit zum Nachdenken, denn augenblicklich falle ich in die Arme eines Greises, der vom Kopf bis zu den Füssen zittert und einen Regen von Wünschen über mich sprüht.

Ich wohnte nun mit meinem "Herrn" in Teheran in dem Hause eines früheren Vezirs, den ein Rivale im Morgengrauen nach einer Liebesnacht getötet hatte.
Ich war glücklich; doch plötzlich kam das Unheil. Es begann an dem Tage, an dem mir mein Gebieter beim Erwachen mitteilte, dass ihn ausser seiner Liebe zu mir noch eine heilige Aufgabe erfülle, die er vollführen müsse. Er sprach lange darüber zu mir.
Und da erführ ich, dass das Universum von Verbrechen und Ungerechtigkeiten überwuchert sei, dass die Zeit gekommen, die Welt neu zu schaffen – dass das Gericht bald hereinbrechen würde. Furchtbar würde es sein: es würde Könige entthronen, Herrscher aus ihren Palästen vertreiben, Nichtstun und Luxus würden ein Ende haben. Es wird weder Könige noch Sklaven geben, weder Tempel noch Moscheen, und ohne Sklaven geben, weder Tempel noch Moscheen, und ohne den Zwang der Götter werden die Liebespärchen sich wie die Täubchen einen – nach eigenem Willen, wo es ihnen gut scheinen wird.
"Warum hast Du das getan“, sagte er zu mir, "ich liebe Dich."
Bald, nachdem man die Kugel aus meiner Brust entfernt hatte, schaffe man mich in das Hospital. Drei Tage lag ich unbeweglich, ohne nur ein Wort zu sprechen; ich war schwer verwundet. Am Morgen des vierten Tages öffnet sich die Tür und ich sehe die komische Gestalt des Generals Sosso-Tatos hereinkommen. Er schien bewegt, sein kahler Schädel glänzte wie die Sonne am Mittag. Sein feuerroter Bart hing bis auf den silbernen Gürtel herab; seine Uniform war mit Orden geschmückt, die Hand lag auf dem Korb seines Degens.
"Pst…, " sagte er zu mir, „nicht sprechen. Es ist dir verboten. Ich habe fünfzehn Tomanen ausgegeben, um in deine Krankenstube kommen zu dürfen."
Der General Sosso war der berühmteste Geizhals in Persien und der naivste Aufschneider ganz Klein-Asiens. "Höre zu, du Adler," sagte er zu mir, während er sich auf den Bettrand setzte, "ich bin ein Soldat, der in Kämpfen alt geworden ist (zweifellos in Liebeskämpfen, denn dieses Persien war weit davon entfernt, dem kriegerischen Persien des Cyrus zu gleichen). Für mich gibt es nichts Herrlicheres", führ er fort, "als den Mut, mein kleiner Aar. Und ich, der General Tatos, sage dir: du bist ein Tiger, ein Löwe, ein leibhaftiger Panther; und wenn du gestorben wärest, hätte ich dir ein Leichenfest ausgerichtet, das über alle Vorstellungen hinausgegangen wäre. Deine Leiche hätte ich in mein Haus genommen, und ich hätte sie in die kostbarsten Stoffe gehüllt, hätte sie mit einer Schar Klageweiber und mit allen Priestern aus Teheran umgeben. Nach der Beisetzung hätte ich als Totenopfer hundert Lämmer dahingegeben. In meinem Garten hätte ich sieben Tage lang den Armen zu essen lassen, und deren Gebete hätten die Engel bewogen, bei dem grossen Richter und bei der gesamten Dreieinigkeit um dein Heil zu bitten. Aber", seufzte er mit einem sichtbaren Bedauern, „du bist ja nicht gestorben!"
Bei seinen letzten Worten war sein Gesicht so niedergeschlagen, seine Enttäuschung, dass ihn diese einzige Gelegenheit entgangen war, der Welt seine grosse Freigebigkeit zu beweisen, war so tief, dass ein Lächeln meine schmerzende Brust zusammenzog. Sofort traten einige Tropfen Blut auf meine Lippen.
"Gott, Christus", schrie der General auf und erbleichte, als er sah, dass ich in Ohnmacht fiel.
Und er floh…
Später gestand mir mein Arzt, dass sich der General Tatos im Hospital als mein Protektor vorgestellt, sich aber doch geweigert hatte, das Personal, das mich bediente, zu belohnen. Er hatte ihm eine lange Rede voller Seufzer gehalten und ihm versichert, dass er grosse Fehlschläge erlitten hätte und dass man ihn bald mit seiner Frau und seinen Kindern auf der Strasse betteln sehen würde.
***
Das Hospital, in dem ich lag, war durchhaus nicht stark besetzt. Nur noch ein kleiner Neger von sechs Jahren war als Kranker dort; die Frau eines Botschafters aus Teheran hatte ihn auf ihrer Reise nach Kum gekauft; er verzehrte sich an der Schwindsucht. Nachdem sie ihn hatte kastrieren lassen, hatte die Dame den kleinen Eunuchen nach Europa mitgenommen, um während des Karnevals als echte Schachrazade aufzutreten.
Dieses arme Kind der Sonne, das um seine Lenden nur ein Tuch trug, musste im stärksten Winter hinter der Dame herziehen und ihre Gewänder tragen. Nach einigen Wochen spuckte es Blut, und man schickte den Sterbenden nach Persien zurück.
Mir tat dieser kleine Neger, den die Zivilisation so schnell verbraucht hatte, leid. Er gestand mir, dass er alles Europäische derart verabscheute, dass er sich hartnäckig weigerter, ihre Speisen zu essen und ihre Sprachen zu sprechen.
Als ich ihn eines Tages dem Tode nah liegen sah, sagte ich zu ihm:
"Vielleicht hat mein Herz rigendeinen Wunsch, Kara; nenne ihn mir, ich bin doch deine Schwester."
"Bringe mich nach Kum; ich möchte bei meiner Mutter sterben", sagte er.
Das aber war unmöglich.
Er seufzte, dann stützte er sich auf die Ellenbogen und heftete seinen kindlichen Blick auf mich.
"Gut, dann sage diesen Franken, dass ich bald sterben werde, sage ihnen, dass sie dies bittere Zeug wegnehmen, das ich Tag und Nacht trinken muss, und dass sie mich Kebab essen lassen."
Nach vielerlei Bitten gestattete man mir endlich, den kleinen Kara nach seinem Willen sterben zu lassen: er durfte Kebab essen.
Armer Kara, als ein alter Neger seinen mit Tüchern um wickelten Körper forttrug, ergriff auch mich wie den kleinen Kara ein tiefer Hass gegen alle die grossen Damen Europas. 
Die Hitze war derart, dass sogar die Umrisse der Mauern in der Luft tanzten. Das Hospital hatte kein Kellergeschoss, in dem ich mich gegen das entsetzlich grelle Licht, das mich krank machte, hätte schützen können.
Tahie baute für mich ein Zelt auf, in dem ich Schatten, frisches Wasser und Obst fand. Sie hatte einen Operationstisch mit Teppichen behängt. Ein Sonnenstrahl, der sich durch die Falten drängte, leuchtete über dem Liebesgedicht von Leyly und Madjnum, das ich gerade las. Da hörte ich plötzlich Schritte in meinem Zimmer.
Eine junge Perserin mit den stillen Zügen einer Mumie war eingetreten. Der Ausdruck einer grossen Müdigkeit veredelte ihr feines Gesicht.
Ich erkannte die Prinzessin "Königin der Kronen" sie war berühmt durch ihre Schönheit, die sie absichtlich dadurch zerstörte, dass sie sich dem Opium hingab, in dem sie ihr Leid vergessen wollte.
Trotzdem sie in ihren Gatten sterblich verliebt gewesen war, hatte sie den Mut besessen, ihn ohne ein Wort an demselben Tage zu verlassen, an dem er eine zweite Frau in seinen Harem geführt hatte.
"Das Herz liegt bei ihnen zu tief", sagte sie eines Tages, als man von den Männern sprach, und dieser Ausspruch ging in der Stadt von Mund zu Mund, und alle schönen Khanums lachten darüber.
"Was für ein merkwürdiges Haus, " sagte sie, „nicht einmal ein Dschinn ist zu sehen."
"Was suchen Sie, Khanum?" fragte ich sie und trat aus meinem Winkel hervor.
Sie sah mich prüfend an.
"Sind Sie Vadjih-es-Saltaneh, werden Sie so genannt?"
"Ja, Khanum."
"Sogar die Hunde haben jetzt eine schattige Ecke. Welche Mutter hat Sie für ein solches Leben geboren?"
"Meine Mutter ist sehr weit und glaubt, dass ich glücklich bin. Ich möchte, dass sie in diesem Glauben stirbt."
"Friede sei mit ihr und sein Schatten über Ihnen", antwortete sie bewegt. Sie hatte in den öffentlichen Bädern die Geschichte meiner Liebe gehört, und nun war sie gekommen, um mir zu sagen:
"Sie sind allein und fremd in dieser Stadt, in der ich Häuser und Gärten besitze. Kommen Sie, teilen Sie mein Heim mit mir."
Das Anerbieten kam so schlicht heraus, dass es mir unmöglich war, sie durch eine Bemerkung, dass ich sie ja kaum kannte, zu kränken.
"Sie sollen mein Erdgeschoss haben, in dem die Becken mit dem frischen Wasser liegen", fuhr sie fort, um mich zu locken.
Ich willigte ein, die Verführung war sehr gross; die Hitze verzehrte mich.
"Ich nehme Sie mit in das Haus meiner Mutter, in dem ich wohne."
"Leben Männer in Ihrem Hause?"
"Ich habe vier Brüder, von denen drei schon lange den Birun bewohnen; ihr Blick wird Sie niemals belästigen, Khanum. Der vierte ist ein Kind, das noch im Inderun mit den Frauen lebt.
Erst als es zu spät war, merkte ich meine Unvorsichtigkeit.


Welcher Christ könnte glauben, dass ein Garten, der den Birun vom Inderun trennt, ein wirksamer Schutz gegen die zudringlichen Blicke junger Männer ist? Was werden all die Klatschmäuler sagen, um meinen Namen zu beschmutzen?

O Abraham, o Jeremias!...
Ich versuche zwar, meine Bestürzung zu verbergen, aber sie erriet meine Unruhe und setzte deshalb hinzu:
"Wenn ich Sie zu mir einlade, dann trete ich die Vorurteile der Mohammedaner, die Sie als unrein betrachten, mit Füssen. Ich hoffe, Sie werden dasselbe mit den christlichen Vorurteilen tun."
"Aber gewiss", antwortete ich. "Für mich sind wir alle, Christen und Mohammedaner, Kinder desselben Gottes, und die Propheten aller Religionen sind die Propheten."
Während ich aus reiner Höflichkeit so sprach, gelang er mir, mich dahin zu überreden, dass es tatsächlich nichts Aussergewöhnliches für eine Christin sei, bei Mohammedaner zu leben. Schliesslich beruhigte mich die Überzeugung, dass alles, was geschieht, durch den Willen Gottes bestimmt ist, endgültig, und ich machte mich fertig, mich ihrer Mutter würdig vorzustellen.
Ein alter Pförtner kreuzte die Arme über der Brust und verbeugte sich respektvoll vor uns, als er das eiserne Tor öffnete. Wir standen unter dem alten dunklen Gewölbe vor dem Inderun eines prachtvollen Hauses.
Die Königin liess mich einige Stufen hinaufgeben.
"Ein Mann… ewiger Gott… hat sie mich doch getäuscht?"
"Khanum…," flüsterte ich erbleichend.
"Seien Sie ruhig, bei Allah! Das ist mein kleiner Bruder Nadir."
Dies kleine Kind war ein schlanker junger Mann, der sich jetzt von seinem Lager erhob und mich ehrerbietig begrüsste.
Seine Schönheit machte einen tiefen Eindruck auf mich.
Seine mandelförmigen Augen unter den schmerzlich hochgezogenen Augenbrauen funkelten wie die Augen der Derwische, die von mystischen Visionen gequält werden. Eine fahle Blässe dämpfte den Ausdruck der Angst, die in seinen Blicken glühte.
Ihre Mutter empfing uns auf der Schwelle des Hauses.
Schon bei den ersten Worten erfuhr ich, dass sie verzweifelt war, weil ihr Sohn Nadir in einem Fieber dahin siechte. Zum ersten Male seit drei Wochen war er von seinem Lager aufgestanden, und zwar, um mich zu begrüssen.
"Khanum," sagte ich, um sie zu trösten, "mich schickt das Glück zu Ihnen; Ihr Sohn wird bald gesund werden, ich sage es Ihnen."
"Die Güte des Barmherzigen ist unendlich wie sein Schatten über uns, "seufzte sie; "möge Eraus Ihren Worten sprechen."
Und tatsächlich hütete Nadir von diesem Tage ab nicht mehr das Bett; er sah stets fiebrig aus, aber er hielt sich tapfer auf den Beinen. Er dachte nicht mehr an den Tod und pflegte sein Äusseres. Er zitierte Koranverse, sprach mit mir von Mohammed, von dem Tempel in Mekka, von dem wunderbaren schwarzen Stein der Kaaba, und ich erriet seinen Wunsch, mich vom Geiste des Propheten erleuchtet zu sehen.
Man schrieb seine Heilung einer magischen Kraft zu, die ihm das Schicksal in mir gesandt hatte.
Von da ab war ich der Abgot der Mutter, und die ganze Familie verehrte mich und alle nannten mich "Aziz". 
Als es mir etwas peinlich wurde, derart verehrt zu werden, und ich daran dachte, mich wieder zu Hause bei mir einzurichten, beschwor mich die Mütter, dass das zu früh wäre.
"Wenn Sie nur einmal ausgehen, dass nehmen die bösen Geister ihre unheilvolle Arbeit in den Adern Nadirs wieder auf. Er ist niedergeschlagen, alles missfällt ihm, und er fühlt sich erst wieder beruhigt, wenn er Ihre Schritte hört." 
Da ich also ihrer Ansicht nach den guten Geist Nadirs verkörperte, wie hätte ich ihn seinen Schicksal überlassen können?
Aber der Eifer, den man aufwandt, mich stets im Hause festzuhalten, beengt mich und machte die Königin reizbar, die sich gern ausserhalb des Hauses zerstreute. Dennoch fühlten wir uns im Hause völlig frei; man hatte uns das Erdeschoss überlassen, wo wir unsere Tage zubrachten.
Abends, wenn alles auf das Dach, wo unser Lager hergerichtet war. Die Gipfel der Bäume umgaben unser riesiges Bett und schützten uns gegen Neugierige; unsere Decke war der schwarzsamtene, mit Diamanten besetzte Himmel.
Die Frösche in dem fernen See sangen uns ein eintöniges Wiegenlied, das häufig von dem Schrei der Eulen unterbrochen wurde. Ich hatte das Gefühl, dass die ganze Erde sänge und dass die Luft vor Düften trunken war.
Ob ich diese Nächte unter dem Himmel Persiens je wieder erleben werde?
Beim sonnenaufgang legte Nadir Rosen auf unsere Kissen, deren Dornen uns bei der ersten Bewegung weckten. Auf den knien näherte er sich meinem Lager und küsste zärtlich die Enden meiner Zöpfe. Wir höllten uns in unsere Schleier und stiegen in den Garten hinunter, wo wir in deines Wasserbecken sprangen. Dann gingen wir sofort in unserer Erdgeschoss zurück. 

In PERSIEN
Diese sentimentale Versuchung, aus der mein christlices Gewissen unbefleckt als Sieger hervorging, machte nur einen kleinen Teil des Reizes meines Haremslebens aus. Der andere bestand in der Freiheit, die wir hinter der anscheinend so festen Mauern genossen.
Nach der Atomsphäre des Stillstandes, die in dem ernsten Hause meines Schwiegervaters Assatur-Khan herrschte, schien mir das Haus Emvar-ed-Dole´s, der Mutter der Königin, wie ein Ort unbeschwerten Ausruhens.
Emvar-ed-Dole gab als weise Herrin eines grossen Hauses jedermann volle Bewegungsfreiheit, und ans Erkenntlichkeit für dieses Vertrauen, das sie gross und klein bewies, hatte sich überall eine strenge Ordnung ganz natürlich entwickelt. 
In Persien
Am westlichen Horizont wa ein Komet az sehen. Anfangs nur balss, wurde er doch immer gewaltiger, und bald bedrohte er die Erde wie ein silberner Dolch. 
Die Derwische predigten unermessliches Unheil für das ganze Universum: Krieg und Untergang grosser Reiche. 
"Zum Besten der neuen ottomanischen Flötte", bekomme ich zur Antwort.
Jeder weiss, dass man manchmal, wenn man einen leichten Scherz machen will, einen unverzeihlichen Fehler begeht. 
"Gut," sage ich lächelnd zu ihnen, "ich bin überzeugt, den Beifall meiner Landsleute zu finden, wenn ich ein derartiges Fest veranstalte unter der Bedingung, dass sich diese Flotte während der Metzeleien armenierfreundlich zeigen wird."

ARMEN OHANIAN
DIE TÄNZERIN VON SH AMAKHA
AXEL JUNGKER VERLAG 
BERLIN
Dieses Werk wurde Weihnachten 1921 in der Spamerschen Buchdruckerei, Leipzig, in der Didot-Antiqua gedruckt.