CLARA RAGAZ-NADIG; 1884 – 1957
Das eigentliche Lebensziel von Clara Ragaz-Nadig bestand im Kampf für eine neue gerechtere Gesellschaft. Der Leitgedanke dieser für sie sozialistischen Gesellschaft war die geschwisterliche Verbundenheit aller Menschen.
Ein erster Schritt war die Vorarbeit für die schweizerische „Heimarbeitsausstellung von 1909“. Clara Ragaz-Nadig, die sich schon vorher mit der schlechten sozialen Lage der Heimarbeiterinnen beschäftigt hatte, machte monatelang in den Unterkünften dieser Frauen die notwendigen Erhebungen. Bei diesen Besuchen gewann Clara einen tiefen Eindruck in die soziale Not.
Der Ausbruch des 1. Weltkrieges forderte Clara, die schon in ihrer Jugend angeregt von Berta von Suttners „Die Waffen nieder!“ zur überzeugten Pazifistin geworden war, so stark heraus, dass von nun an ein Teil ihres Lebens der Friedensbewegung, vor allem der Frauenfriedensbewegung, gehörte. 1915 gründete sie zusammen mit Frau Dr. Woker (Bern), Frau Dr. Erismann (Zürich), Frau Schaffner (Basel) und Frau Gobat (Genf) das „Schweizerische Frauenkomittee für den dauernden Frieden“. Seit 1919 gehört sie dem leitenden Ausschuss der „Internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit (IFFF)“ an. Trotz grosser Anfeindungen, vor allem in den dreissiger Jahren, arbeitete Clara bis 1946 aktiv im Vorstand der Liga mit.
Im Bereich der Politik war für Clara Ragaz-Nadig die zentrale Forderung, dass Frauen alle politischen Rechte haben sollten. Zugleich erkannte sie aber die Wertlosigkeit dieser politischen Gleichberechtigung der Frau in einer Welt, die von Männern aufgebaut wurde. „Denn auch mit der Zuteilung der formalen Rechte wird sie noch nicht vollkommen gleichberechtigt; sie wird es in dieser unserer heutigen Gesellschaftsordnung überhaupt nie. Die formalen Rechte können ihr nur die Hilfsmittel sein, zur Umgestaltung der Gesellschaftsordnung, und sind darum unbedingt erstrebenswert.“
Clara Ragaz-Nadig forderte Frauen zu einer deutlicheren Mitarbeit in politischen Organisationen, wie in der sozialdemokratischen Partei, heraus. Frauen sollten dadurch aktiv an der Veränderung der Gesellschaft teilnehmen. Um aber unabhängig von männlichen Interessen wirklich eigene Vorstellungen entwickeln zu können, setzte Clara sich für den Aufbau einer starken unabhängigen Frauenorganisation ein.
Die wirtschaftliche Benachteiligung von Frauen lag für Clara auf mehreren Ebenen. Zunächst in einer schlechteren Ausbildung für Mädchen, weil für ihre Bildung weniger Geld ausgegeben wurde als für die der Jungen. Zuletzt aber in der durchgehend schlechteren Bezahlung von Frauenarbeit. Ihre Forderungen für eine wirtschaftliche Gleichberechtigung der Frau sind folgende:
-Gleicher Lohn für gleiche Arbeit
-Offener Zugang für Frauen zu allen Berufen
-Gleichstellung, was Ansehen und Lohn betrifft, für bisher typische Frauenberufe
Wertung der Hausfrauentätigkeit als Beruf
-Sozial – und Altenversicherung für Hausfrauen
-Freie Entscheidungen für verheiratete oder unverheiratete Mütter, ob sie berufstätig sein wollen oder nicht.
Im Kulturellen Bereich bemängelte Clara Ragaz-Nadig die Benachteiligung der Frau im Hinblick auf ihre Bildungsmöglichkeiten.
„Doch wie mit der Politik, so ist es auch mit der Bildung. Einmal ist unser ganzes sogenanntes höheres Bildungswesen auf den Mann zugeschnitten, auch vom Manne geschaffen, und trägt sein Gepräge; Das Eine hat zur Folge, dass die Frau auch dort, wo sie zum Studium zugelassen wird, nicht in ihre Welt, sondern in die Welt des Mannes eingeführt wird, d.h. dass die Probleme ihr in der Beleuchtung der männlichen Denkart dargestellt werden…, zweitens stehen der akademisch gebildeten Frau immer noch weniger offen als Manne.“
Somit war ihre Hauptforderung in diesem Sektor ein genauso gute Schul- und Berufsausbildung für Frauen. Die Frauen sollten durch die Mitarbeit in Schul – und Erziehungsräten einen deutlichen Einfluss auf die Bildung ihrer Kinder nehmen. Besonders auf den Gebiet der Wissenschaft versprach sich Clara viel von dem, was eine befreite Frau leisten könnte.
„Sie wird auch dort, wo sie sich wissenschaftliche betätigt, es mehr wagen, eigene Wege zu gehen. Eigene Probleme aufzustellen und eigene Methoden anzuwenden und darum auch erst eigene Werte zu schaffen.“
Sie sah die befreienden Bewegungen ihrer Zeit immer als zusammengehörende Bewegung zu einem gemeinsamen Ziel an. Gerade dies aber ist auch die grosse Aufgabe für uns heute. Auch wir müssen erkennen lernen, dass Friedensbewegung, „Dritte Welt“ –Bewegung und Ökologiebewegung zusammengehören. Es kann keinen Frieden ohne Gerechtigkeit geben.
Manuskript aus der IFFF Arbeitsgruppe CH
fks
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